Tipps für Eltern und Pädagogen blinder Kinder

Wir haben als Eltern eine ständig wachsende Sammlung unserer Tipps für Eltern und Pädagogen zusammengestellt – schauen Sie öfter vorbei! Alle Tipps wurden aufgrund unserer eigenen Erfahrung geschrieben und sind somit persönlich aber überprüft.

Auch hier gilt der wichtige Hinweis:

Jedes Kind entwickelt sich anders und hat andere Möglichkeiten, Bedürfnisse und Grenzen.

Alle Altersangaben sind, wie überall, als frühestmöglicher Zeitpunkt angegeben. Ähnlich wie bei Spielen. Wenn ein Spiel ab 8 Jahren angegeben ist, heisst das nur, dass es wahrscheinlich nicht früher verstanden wird und nicht, dass das Kind es mit 8 verstehen muss!

  • Wir bemühen uns, Ihnen viele Tipps zu geben, wie Sie Ihr Kind fördern können. Bieten Sie Ihrem Kind durchaus alles an, darum geht es uns – aber drängen Sie es nicht! Jedes Kind hat seine eigene Reihenfolge und Geschwindigkeit Dinge anzunehmen und es gibt dafür keine Norm. Das gilt für Bücher, Braille, Laufen, Sprechen, Langstock und Klicksonar gleichermaßen. Und natürlich nimmt auch nicht jedes Kind alles an. Sie kennen Ihr Kind am besten und wissen, was sie ihm zutrauen können!

Für alle und von Anfang an


  1. Geben Sie einem blinden Kind häufig Feedback zur seiner Mimik. Erklären Sie Bedeutung und Wirkung auf andere. Sprechen Sie darüber. Es ist kaum möglich dem Kind eine bestimmte Mimik beizubringen, ausser es darauf aufmerksam zu machen, wenn es sie gerade macht: „Jetzt guckst Du verschmitzt“ oder „Das sieht lässig aus“ oder „Was für ein schönes Lächeln!“. Ihr Kind kann nicht durch abgucken lernen.
  2. Bringen Sie Ihrem Kind auch von Anfang an die Formen und Bedeutung von Gestik bei. Erwarten Sie von ihm, dass es sich beim Zuhören und Sprechen dem Gesprächspartner zuwendet. Mit dem Körper und dem Gesicht. Ziehen Sie früh Theater- und Tanzgruppen in Betracht!
  3. Achten Sie darauf, dass sich das Kind viel bewegt und mit einem körperlangen Langstock unterwegs ist. Dadurch wird eine gesunde und aufrechte Körperhaltung gefördert. Geführtes Rennen, Gymnastik und aufrechtes Sitzen haben eine wichtige Funktion dafür.
  4. Wir empfehlen diese vier hilfreichen Broschüren für Eltern blinder und sehbehinderter Kinder. Reha- und Mobilitätslehrer haben aus Gesprächen mit Eltern illustrierte Anregungen verfasst. (Die Broschüre »Schritt für Schritt« – Kleine Anregungen für Eltern blinder Kinder im Grundschulalter – müsste unbedingt um das Thema Kinderlangstock und Klicksonar erweitert werden. Da die Bücher, wie wir vermuten, schon älteren Datums sind, wurden diese Themen überhaupt nicht berücksichtigt.) Zu bestellen beim bbs Nürnberg oder unter: reha@bbs-nuernberg.de
  5. Neben Akustik ist Begreifen ist ein zentrales Thema für blinde Kinder. Schon mit dem Säugling und durch die ganze Kindheit sollte Anfassen als große Freude vermittelt werden. Kein Bäh und Bah, sondern Hui! Alles lässt sich abwaschen – jeder Dreck und jedes Essen. Bitte keine Tabus! Die kommen später. Beissen Sie sich auf die Zunge, bevor Sie sagen „Nicht!“. Nehmen Sie einfach immer Feuchttücher mit. Ganz wichtig: Blinde Kinder sollen immer mit zwei Händen explorieren, damit die Dimension auch begriffen wird. Immer mit Ihrer begleitenden Erklärung zu Name, Funktion, Material, Oberfläche, Zusammenhang und Anwendung. Erzählen Sie Geschichten und wecken Sie die Neugier auf Neues.
  6. (Begreifen 2) Motivieren Sie das Kind alles anzufassen, aber drängen Sie es nicht! „Bevormunden“ Sie die Hand des Kindes nicht. „Immer, wenn ich etwas anfassen will, greift jemand meine Hand“. Reissen Sie die Hand des Kindes nicht weg und drücken Sie sie nicht hin. Das kann eine Gegenreaktion auslösen, die zu einer heftigen dauerhaften Aversion führt. Eine solche Aversion tritt bei vielen blinden Kindern auf und ist sehr schwierig für die weitere Entwicklung. Wenn Sie dem Kind etwas zeigen, lassen Sie das Kind Ihre Hand eher „beobachten“ was Sie meinen (d.h. Ihre Hand unten und die Kinderhand darauf), als dass Sie die Hand des Kindes führen.
  7. Bei Bahnreisen innerhalb Deutschlands haben wir mit einem Schwerbehindertenausweis, der den Vermerk B enthält, Glück. Der Vermerk berechtigt dazu, in vielen Fällen eine Begleitperson gratis mitzunehmen. So auch bei der Bahn! Sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr.
    Infos aus bahn.de vom 12.7.22
    Schwerbehinderte Kinder plus BegleitpersonBis zum sechsten Geburtstag bekommt das Kind ein gratis Ticket. Das Bahnfahren mit Begleitperson ist somit völlig gratis! (Platzreservierung kann online auch ohne Ticket gekauft werden)
    Kinder von 0-5 Jahren reisen grundsätzlich kostenfrei ohne eigene Fahrkarte mit der Bahn. Sie müssen nicht auf der Fahrkarte der Begleitpersonen eingetragen sein. Ein Sitzplatz ist aber nicht automatisch dabei und muss, falls gewünscht, extra gebucht werden.Bei Kindern mit Schwerbehinderung, in deren Ausweis die Mitnahme einer Begleitung und das Merkzeichen „B“ vermerkt sind, darf auch die Begleitperson kostenfrei fahren. Die Reise kann nach Wahl und Verfügbarkeit in der 1. oder 2. Klasse stattfinden.Ab dem sechsten Geburtstag
    Reisen zu zweit: Hier benötigt das blinde Kind ein (stark ermäßigtes) Kinder-Ticket. Platzreservierung für zwei kann dazu gekauft werden. Das Bahnfahren mit Begleitperson kostet somit nur ein Kinderticket plus Platzreservierungen. Extra Spartipp: Für 10 Euro Bearbeitungsgebühr kann man bis zum 18. Geburtstag eine „Jugend BahnCard 25“ bekommen.
    Reisen zu dritt: Wenn Mutter/Vater/Oma/Opa mitfährt, kann dieser das Kind bis zum 15. Geburtstag gratis als Familienkind mitnehmen, welches auch auf dem Ticket angegeben werden muss. Es zahlt also nur die eine erwachsene Person (am besten eine mit BahnCard). Der zweite Erwachsene benötigt kein Ticket, da er als Begleitperson ohne Ticket fährt und das Kind einen Schwerbehindertenausweis mitführt. Platzreservierung kann unabhängig von den Tickets gelöst werden.Kinder ab 6 Jahren fahren in Begleitung einer Person ab 15 Jahre kostenfrei. Sie müssen aber bei der Buchung angegeben werden.
    Fährt das Kind ohne Begleitung, braucht es eine Fahrkarte. Ausnahme: Das Kind darf aufgrund seiner Berechtigungen (d.h. es besitzt eine Wertmarke) im Nahverkehr kostenfrei fahren.

    ​​​​​​​Bei Kindern mit Schwerbehinderung, in deren Ausweis die Mitnahme einer Begleitung und das Merkzeichen „B“ vermerkt sind, darf die Begleitperson kostenlos fahren. Die Reise findet dann in der beim Fahrkartenkauf für das Kind gewählten Klasse statt.

    (Quelle https://www.bahn.de/service/individuelle-reise/barrierefrei/barrierefrei_verguenstigungen)

    Mobilitätsservice-Zentrale der Deutschen Bahn, Öffnungszeiten: täglich von 6:00 bis 22:00 Uhr, Telefonnummer: 0180 6 512 512 (Beratung über geeignete Zugverbindungen, Verkauf von Fahrkarten, Reservierung von Sitzplätzen, Zusendung der Reiseunterlagen oder wahlweise Abholung am Automaten)

  8. Immer, wenn Sie mit Ihrem blinden Kind einen Raum betreten, klicken Sie mit der Zunge. Geben Sie dem Raum einen Namen und sagen Sie etwas dazu. Machen Sie das auch noch nach Jahren.
  9. Jeder sammelt Fotos von Situationen und Menschen an die er sich erinnern will. Geben Sie ihrem blinden Kind diese wertvollen und schöne Erinnerungsmöglichkeit auch mit. Halten Sie mit einem Aufnahmegerät, einem Smartphone oder einem Computer überall da, wo Sie Fotos machen würden Tonaufnahmen fest. 5 Sekunden bis 15 Minuten – ganz situationsbedingt. Im Urlaub, bei Besuch, in der Kita, der Schule, am Spielplatz. Benennen Sie die MP3-Dateien und archivieren Sie sie z.B. in iTunes oder ähnlichem. Ihr Kind wird es lieben (!!!) sich ab und zu mit Ihnen gemeinsam alte Aufnahmen anzuhören. Schenken Sie im richtigen Alter einen MP3-Player dazu.
  10. Das Augendrücken oder Augenbohren bei blinden Kindern ist sehr verbreitet. Seien Sie nicht streng, aber lassen Sie es nicht zu. Nehmen Sie die Hände oder Daumen immer sofort weg, bevor es zur Gewohnheit wird. Versuchen Sie Ihr Kind zu überzeugen es nicht zu tun. Wenn Sie ihr Kind überzeugen können die Zähne zu putzen, dann schaffen Sie vielleicht auch dies. Allerdings ist es sehr sehr schwierig! Lenken Sie es ab, bieten Sie Alternativen, freuen Sie sich mit dem Kind, wenn es nicht bohrt und loben Sie. Weisen Sie auch die Erzieher in der Kita darauf hin. Das Drücken und Bohren führt zu Entzündungen, dauerhaften Verformungen und zu für immer tiefen Augenhöhlen.
  11. Möglichst alles, was Ihr blindes Kind hört, soll es auch anfassen und verstehen. Erklären Sie es. Bilden Sie Zusammenhänge. Beispiel: „Hör‘ mal, wenn ich die Zeitung lese und dabei die Seiten umblättere dann knistert das Papier so … Versuche es auch einmal. Das ist die Zeitung. Darin stehen Geschichten. Auf jeder Seite; viele kleine Geschichten für Erwachsene. Schau sie dir an und versuche auch mal zu blättern.“
  12. Grenzen setzen sich die Kinder selbst. Geben Sie ihnen die Freiheit ihre Grenzen selbst zu finden oder über sie hinaus zu wachsen! Wir nennen das „No Limits“. Sie sind die Personen, die dem Kind Mut und Selbstbewusstsein geben, wenn Sie ihm Dinge zutrauen selbst zu tun und zu entscheiden. Erfreuen Sie sich an der Offenheit für Neues und Schwieriges.

Nicht vor dem 2. Lebensjahr, aber auch später.


  1. Erwarten Sie nicht von anderen (Frühförderer, Erzieher, Lehrer, Beratungsstellen oder irgendwem sonst), dass diese Ihnen helfen, alles zur richtigen Zeit zu wissen oder zu tun. Sie müssen sich selbst informieren und selbst handeln, damit Ihr Kind nicht zurückbleibt. Schauen Sie auf sehende Kinder mit ähnlichen Voraussetzungen und fragen Sie sich, ob Ihr Kind auf einem vergleichbaren Stand ist. Machen Sie keine leichtfertigen Abstriche – seien Sie anspruchsvoll. Denken Sie grundsätzlich! Schauen Sie auf sprachliche, soziale, spielerische Dinge. Schauen Sie, ob Ihr Kind gleich viel Kontakt mit (Punkt)Schrift, Freunden, Sport, Bildung etc hat. Fördern Sie früh, damit sich keine Defizite entwickeln.
  2. Beschriften Sie Zimmertüren, Sitzplätze, Bücher und CD-Hüllen und so viele geeignete Gegenstände wie möglich und so früh wie möglich mit Braille-Schrift und führen Sie immer wieder die Finger des Kindes darüber während Sie lesen. So entsteht ein Bezug von Wort und Schrift und zeigt, dass und wofür sie genutzt wird. Dafür gibt es im Hilfsmittelversand Dymobänder und Beschriftungsgeräte. Die meisten Braille-Schreibmaschinen können das aber auch oder es lassen sich Klebefolien damit beschriften. Fangen Sie jetzt an!
  3. Unser Tipp für sehr gutes Braille-Papier ist das Papyrus 88026786 Planosuperior. Das gibt es in 120g und in 160g Stärke. 120g reicht für alles und ist genauso gut, aber preiswerter und dünner als die überteuerten Spezial-Papiere aus dem Hilfsmittelbereich.
  4. Sehende denken oft, weil sie selbst Schwierigkeiten haben die Punktanordnung der Brailleschrift mit den Augen zu erkennen (oder gar mit den Fingerspitzen), dass es hilft die Schrift zu vergrößern (mit Lego, Steckbrettern oder Eierkartons). Leider ist das Gegenteil der Fall – tun Sie es nicht. Es ist eine völlig überflüssige Zusatzbelastung. Es hilft nur den Sehenden, aber nicht den blinden Kindern die Schrift zu lernen. Blinde müssen den ganzen Buchstaben unter der Fingerkuppe spüren und genau dieses Gefühl erlernen – und das geht mit Vergrößerungen nicht. Der theoretische Aufbau der Schrift ist für das Kind nicht relevant. Die Braillebuchstaben haben eine exakt berechnete Größe, die nicht zu groß und nicht zu klein ist. Dieses Gefühl beim Überstreichen ist das eigentliche Lesen. Der blinde Leser tastet nicht den einzelnen Buchstaben nach der Punktanordnung ab. Das wäre ein sehr zeitaufwändiger Vorgang. Punktschrift liest sich aber fast genauso schnell wie Schwarzschrift.
  5. Führen Sie ein blindes Kind nicht immer an der Hand. Wer geführt wird, lernt keine Selbständigkeit. Tun Sie das so wenig wie möglich, aber im vernünftigen Rahmen.
  6. Die Eltern sind die ersten und besten Mobilitätstrainer für ein blindes Kind.
  7. Gehen Sie mindestens ein oder zweimal im Monat etwas aussergewöhnliches außer Haus erleben! Ihr Kind soll dadurch lernen, dass die Welt da draußen interessant und spannend ist und Spaß bietet. Es lernt mutig und neugierig zu sein. Gehen Sie ins Technische Museum, ins Schwimmbad, zum Skifahren, zum Radfahren, in den Erlebnispark, auf den Spielplatz, ins klingende Museum, Bergwandern, etc.
  8. Blindenstock bzw. Langstock für Kinder unter 6: Er sollte der Körpergröße (+/- 5cm) entsprechen! Alle Details zum „warum, wann und wie“ des Langstocks für Kinder finden Sie hier bei uns.
  9. Sofort bis über 12 Jahre: Immer wieder hilfreich ist der Leitfaden Hey! What’s Cooking? von Franziska Naughton und Sharon Sacks zum Thema Lebenspraktische Fertigkeiten. Hier findet man Anregungen und Vorschläge für Aktivitäten ab Säuglingsalter bis ca. 12 Jahre und älter. Hier finden Sie den deutschen und hier den englischen Text. Entstehungsdatum des Textes in den 70er Jahren!
  10. Ab 1,5 Jahre: Immer, wenn Sie sich mit Ihrem blinden Kind einem größeren Objekt nähern, klicken Sie mit der Zunge. Stehen Sie dabei hinter dem Kind und klicken Sie kurz über dem Kopf des Kindes. Beschreiben Sie das Objekt und dann, ganz entscheidend: Lassen Sie es möglichst das Objekt anfassen, anklicken, anfassen, anklicken und ggf. drum herumlaufen.
  11. Ein Langstock (Blindenstock) für ein Kleinkind muss Spaß machen. So wird er zum Freund. Das Kind bekommt seinen ersten Stock z.B. mit einem Stocktier und darf dem Stock einen Namen geben. Achten Sie auf das Gewicht des Tiers. Es darf nur 10 oder 15g wiegen. Gegen das Abrutschen vom Stock hilft ein Klettpunkt auf dem Stock oder Gummi. Das Tier wird direkt unterhalb des Griffs montiert.
  12. Ab 1,5 Jahre: Wenn Sie ein blindes Kind an der Hand führen, beachten Sie, dass das Kind trotzdem selbständig (und mit Stock!) neben Ihnen geht – sich nicht nachzieht oder an der Hand hängt. Der Stock zeigt nach vorn, darf aber auch mal spielerisch eingesetzt werden.
  13. Immer wieder verweigern Krankenkassen die Kostenübernahme für angeforderte Hilfsmittel mit der Begründung, dass diese nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet sind. Fest steht jedoch, dass lange nicht alle erstattungsfähigen Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt werden. Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen, die das Hilfsmittelverzeichnis erstellt und darüber entschieden, was dort aufgenommen wird, haben keine gesetzliche Ermächtigung erhalten, eine Leistungspflicht gegenüber den Versicherten im Sinne einer „Positivliste“ festzulegen. Deswegen kann eine Kostenübernahme oder die Verweigerung mit der fehlenden Nennung im Hilfsmittelverzeichnis nicht begründet werden. Dies hat erneut das Bundessozialgericht (BSG) in einem Urteil vom 3. August 2006 (Az.: B 3 KR 25/05 R) bestätigt und auf die Versäumnisse in der Hilfsmittelverordnung aufmerksam gemacht. Das BSG bekräftigt mit seiner Entscheidung die seit zehn Jahren bestehende Rechtssprechung, dass das Hilfsmittelverzeichnis nicht als abschließend anzusehen ist. Die Richter mahnten sowohl den gemeinsamen Bundesausschuss als auch das Bundesgesundheitsministerium an, endlich entsprechende Veränderungen vorzunehmen und die Hilfsmittelrichtlinien umzuformulieren.
  14. Zeigen Sie Ihrem blinden Kind Modelle (bzw. Spielzeugversionen) von großen Dingen, aber benennen Sie sie sehr penibel zB. Spielauto statt Auto, oder Löwenpuppe statt Löwe. Der Hintergrund ist, dass ein Spielauto kein Auto ist und eine Hundepuppe kein Hund. Plakativ gesagt: Wenn Sie irgendwann mal „Vorsicht Auto!“ rufen, erwartet Ihr Kind sonst etwas sehr kleines. Oder es fragt sich, wie Menschen in so kleine Häuser passen und ob da oben überall so kleine Flugzeuge sind. Und das ist kein Witz!
  15. Blinde Kinder sollten bei Spielsachen lernen: „Dies ist ein Spielzeug – Es ist kein echtes Haus, Tier, Kind, Essen etc.“. Auch Schleich-Tiere sind wunderbar, um Tiere zu ertasten bzw das detaillierte Tasten zu erlernen und um etwas über äussere Besonderheiten von Tieren zu lernen (z. B. Giraffe: langer Hals, Kuh: Euter). Aber dieses Schleich-Tier ist keine Giraffe, Kuh, Hund etc. Er ist nicht weich und fellig, riecht, bellt und beisst nicht, es ist unbeweglich und steif – es ist nur ein Modell eines Hundes, an dem man einige Besonderheiten erkennen kann, ist unbeweglich und steif. Daher wird es dem Kind nicht im geringsten helfen, einen echten Hund zu erkennen, oder ihn von einer Katze zu unterscheiden. Nur am echten Hund lernt das Kind einen Hund zu erkennen.

    Gutes Tastmodell eines Hundes und doch nur ein Teil der Wirklichkeit.

    Gutes Tastmodell eines Hundes und doch nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Erklären Sie dem Kind, dass der echte Hund groß, weich, fellig, haarig, warm, zappelig, schwer, feucht an Mund und Nase ist und eventuell deutlich nach Hund riecht. Dies ist kein Hund! Es ist ein Modell eines Hundes!

  16. Paukenröhrchen-OP vermeiden: Die OP bringt ein Risiko einer ev. bis zu 5% Hörminderung, was für blinde Kinder fatal ist. Die meisten Fälle regeln sich ohne Zutun von selbst im Frühling, wenn die Schleimhäute abschwellen (Rat eines HNO-Arztes, den wir bestätigen können).
  17. Steckspiele mit verschiedenen Formen und Oberflächen erfordern bei blinden mehr Konzentration und Geduld als bei sehenden Kindern. Haben also auch Sie immer genug Zeit und Geduld, wenn Ihr Kind durch Begreifen lernt. Eiserne Regel: Das Kind soll immer zwei Hände und Zeit nutzen.

Nicht vor dem 2. Geburtstag aber auch für Ältere


  1. Erzählen Sie einem blinden Kind häufig wie andere Menschen mit Gestik und Haltung etwas ausdrücken. Erklären Sie Bedeutung und Wirkung. Motivieren Sie Ihr Kind zur Nachahmung. Ihr Kind kann nicht durch abgucken lernen. Üben Sie auch unbedingt den richtigen, aufrechten Gang und das Zuwenden des Kopfes und Körpers zum Gesprächspartner oder Geschehen: „Sonst weiss man nicht, dass Du mit einem sprichst oder zuhörst!“. Schauen Sie mal hier, welches Repertoire der nonverbalen Kommunikation wir haben und helfen Sie Ihrem Kind Körperbewusstsein und -sprache zu entwickeln.
  2. Markieren Sie die linke Seite jedes Kleidungsstücks und Schuhpaares für blinde Kinder mit einem kleinen Knopf oder einer Schleife.
  3. Wenn das blinde Kind auf die Frage, was es spielen will, häufig das selbe antwortet, fragen Sie sich mal, ob es alle verfügbaren Spielmöglichkeiten wirklich (wirklich!) kennt (wirklich?)! Und hat es nicht wieder Dinge vergessen, die es schon lange hat? Zeigen Sie dem Kind alles; machen Sie Beispiele; erinnern Sie es ab und zu an alles und bieten Sie auch das 20ste Mal die Möglichkeiten an. Es wird nicht, wie sehende Kinder, immer wieder optisch daran erinnert, was da liegt oder steht. Auch kann es nicht interpretieren was andere Kinder spielen und sich dabei Dinge abgucken, wenn es nicht selbst aktiv gezeigt wurde. Auch das „Wie spiele ich damit“ kann es nur durch Zeigen lernen.
  4. Erzählkisten (Storyboxes) zusammenstellen! Das sind sozusagen fühlbare Geschichten. Man kann zum Beispiel zu einem bestimmten Buch die Dinge, die in dem Buch vorkommen, in eine Kiste packen. Das Kind kann dann die Sachen, über die man gerade liest, aus der Kiste heraussuchen. Das macht Spaß, das Kind schult seinen Tastsinn und lernt Dinge erkennen. Die Kisten kann man für jedes Buch dann immer wieder neu bestücken, damit es nicht langweilig wird.

    Storybox ist eine Sammlung von Dingen, die zu einer Geschichte passen in einer Schachtel

    Eine Storybox ist eine Sammlung von Dingen, die zu einer Geschichte passen in einer Schachtel

  5. Einem blinden Kind macht das körperliche, haptische am Klettern viel Spaß. Bäume- und Felsenklettern oder auch in der Kletterhalle – Motivieren Sie Ihr Kind dazu. Es ist förderlich für die Entwicklung des Gehirns und der Körperhaltung.
  6. Was spricht dagegen, ein blindes Kind Dreirad oder Laufrad fahren zu lassen? Es will und sollte alle möglichen Dinge tun, die alle anderen Kinder auch tun, sonst fühlt es sich zurecht „behindert“. Setzen Sie dem Kind nicht Ihre Grenzen, sondern geben Sie ihm die Chance seine Grenzen selbst zu finden. Sie können dem Kind vorauslaufen und akustische Ziele bieten, wo es hinfahren soll, Klicksonar hilft auch dabei, den Weg zu finden und Hindernissen auszuweichen.
  7. Zwei blinde Mädchen spielen Küche. Doch was spielen sie wirklich? Nehmen Sie es nicht als selbstverständlich, dass sie Handlungen Ihrer Eltern oder anderer Leute nachvollziehen können, auch wenn es so aussieht. Erst durch händisches Begreifen und Mitmachen jedes Handgriffes in der echten Küche können sie nachahmen was dort vor sich geht. Lassen Sie Ihr Kind immer und überall aktiv teilhaben, auch wenn es manchmal mühsam und zeitaufwändig ist. Lassen Sie es alle Gegenstände mit zwei Händen ausgiebig begreifen und erklären Sie Material, Funktion und Zusammenhang.Wenn blinde Kinder miteinander spielen, hört es sich oft realitätsnäher an, als es ihren den Köpfen möglich ist.

Nicht vor dem 3. Geburtstag aber auch viel später


  1. Um Ihrem Kind eine Vorstellung von Räumlichkeit zu verschaffen und um den Umgang mit abstrakten Darstellungen zu erlernen, legen Sie einen taktilen Plan des Grundrisses Ihrer Wohnung bzw. Ihres Hauses an (Finnpappe und Kleber eignet sich hierfür wunderbar). Kleben Sie festes Mobiliar, Teppiche, Türschwellen, Treppenstufen bzw besondere Kennzeichen, an denen sich das Kind orientieren kann, z.B. mit Moosgummi und anderen Materialien ein. Ob das Kind es mit 3 oder mit 7 oder nie versteht spielt heute keine Rolle. Sie brauchen das Modell ganz sicher immer wieder.
    Taktiler Plan einer Wohnung

    Taktiler Plan einer Wohnung bzw. der Umgebung der Wohnung: hilft beim Verstehen der Zusammenhänge

     

  2. Ab dem Alter von etwa drei Jahren kann man gut mit fühlbaren Würfeln (Spielzeug- oder Hilfsmittelversand) anfangen. Der, der die höhere Zahl würfelt, darf einen Legostein setzen oder sonst etwas tun. Würfel Kantenlänge 3 cm aus Holz: https://www.deutscherhilfsmittelvertrieb.de/onlineshop-1.html?nid=2279 http://www.rehadat.de/rehadat/Reha.KHS
  3. Blinde Kinder erleben aus verschiedenen eigenen und äusseren Gründen einen schwierigeren Zugang zu anderen Kindern. In der Kita und Schule zeigt sich das dann spätestens. Bemühen Sie sich daher von Anfang an darum, dass das blinde Kind in der Kita in speziell organisierten Kleingruppen von 2 bis 4 Kindern ein bis zweimal pro Woche für zwei Stunden oder mehr, das Spielen MIT anderen lernt statt das Spielen NEBEN anderen. Ebenso müssen die meisten sehenden Kinder das Spielen mit dem blinden Altersgenossen erst lernen. Der Erwachsene muss das Spiel geschickt organisieren und moderieren um ein Voneinander, Zueinander, Miteinander zu fördern. Es entwickelt sich ein gegenseitiges Verstehen und Vertrauen. Nach einiger Zeit tragen diese Kleingruppen auch im größeren Kontext Früchte.
  4. Kinder, die nicht ohnehin zweisprachig im Elternhaus aufwachsen, lernen oft schon durch fremdsprachige Erzieher im Kindergarten oder in bilingualen Schulen eine zweite oder dritte Sprache zur Muttersprache dazu. Das ist bei sehenden und blinden Kindern gleichermaßen fruchtbar und sinnvoll, denn je früher eine Sprache gehört und gesprochen wird, desto einfacher und nativ lernt das Kind. Es gibt allerdings einen wichtigen Unterschied, der es blinden Kindern nicht ganz so selbstverständlich macht einen zweite Sprache zu verstehen. Ohne die Gestik, Mimik und ohne Dinge und Vorgänge zu sehen, bleiben sie abstrakt und können nicht adaptiert und verstanden werden. Sie müssen, je nach Art des Inhalts, zum Begreifen zur Verfügung stehen, oder es muss verbal Bekanntes referenziert und erklärt werden, und es muss sprachlich die Sandwich-Technik angewandt werden: Der Lehrende sagt den Satz mit dem neuen Inhalt zunächst in der Fremdsprache, dann in der Muttersprache und dann noch einmal in der Fremdsprache. So kann auf sprachlich abstrakter Ebene das aus der Muttersprache bekannte gelernt werden.

Nicht vor dem vierten Geburtstag, oft später


  1. Gesellschaftsspiele machen Spaß und fördern das Denken und die soziale Kompetenz. Obstgarten, Max Mäuseschreck, horizontales Mikado, Lotti Karotti, Klapperspiel, Shut the Box, etc. Diese Spiele sollten zuhause und in der Kita zur Verfügung stehen.
  2. Fangen Sie mal langsam an, Punktschrift ins Leben Ihres Kindes zu bringen. Damit meinen wir nicht Punktschrift lesen und schreiben lernen, sondern die Dingerchen mit feinen Schriftzeichen und Worten in Berührung bringen. Die gleichaltrigen sehenden Kinder kennen Schrift seit sie auf der Welt sind. Das sollte ihr Kind auch. Tipps dazu haben wir auf unserer Seite zum Thema Punktschrift.
  3. Filme im Fernsehen mit Bildbeschreibung, das heisst mit Audiodeskription oder Hörfilmfassung können nur digital empfangen werden. Zum Empfang notwendig ist ein digitaler Receiver für Kabel- oder Satellitenempfang (der Empfang über DVB-T funktioniert nur eingeschränkt). Nachdem der Receiver auf das gewünschte Programm eingestellt wurde, wird durch Drücken der Taste „Audio“ „Sound“ „Optionen“ oder ähnliches die zweite Tonoption angezeigt (entweder „Audio 2“ oder „mit Audiodeskription“) und kann dann ausgewählt werden. Der originale Filmton bleibt Stereo oder Surround, einige Programme (z.B. der BR) strahlen auch die Hörfilmfassung in Stereo oder Surround aus. Sie können sich über alle Filme der ARD-Programmfamilie mit Audiodeskription informieren, die in den nächsten 4 Wochen geplant sind. Wenn Sie die Attribute ☺ für Kinderfilm und „AD“ für Audiodeskription aktivieren, werden alle Kinderhörfilme ausgefiltert. Der KiKA hat seit Anfang 2013 die technischen Möglichkeiten, den Zuschauernzum klassischen Sendeton eine Hörfilmfassung mit zur Verfügung zu stellen zu können. Die Kennzeichnung der Sendungen erfolgt On Air über einen Hinweisjingle vor der Sendung, so dass der Zuschauer ohne Zuhilfenahme der Begleitmedien diese Sendungen erkennen und die Hörfilmfassung anwählen kann. Aber auch in den Begleitmedien kann man an der Kennzeichnung AD erkennen, welche Sendungen mit einer Hörfilmfassung zu empfangen sind.
    Sie finden DVD-Hörfilme für Kinder auf den Internetseiten der Deutschen Hörfilm gGmbH und von Hörfilm e.V.
  4. Spielen Sie “Hörspiele”. Beschreiben Sie alle Geräusche, die Sie wahrnehmen. Erklären Sie dem Kind, was das ist, was es hört. Erklären Sie ihm alles. Es gibt auch CDs zum Geräusche erraten. Das Kind muss die Geräusche deuten können! Machen Sie Spaziergänge und lassen Sie das Kind selbst raten. Das kann die ganze Familie mitspielen, sofern man die Geräuschursache nicht sehen kann. 2013 kam ein schöner Film in die Kinos (für Erwachsene), der diese Situationen wunderbar beschreibt: IMAGINE.
  5. Der bunte, spaßige Baukasten „Wheatley Tactile Diagramming Kit“ kann für eine Vielzahl von pädagogischen und spielerischen Aktivitäten verwendet werden. Verwenden Sie je nach Geschmack beliebige weitere Elemente für mehr Möglichkeiten. 
    Das Set enthält ein Klettbrett ca. DIN A4, und eine Vielzahl von bunten und unterschiedlichen Klettformen mit verschiedenen Mustern und Oberflächen, die leicht an das Klettbrett anzubringen und wieder zu lösen sind. Es gibt über 100 in vielen verschiedenen Formen, Größen, Texturen und Farben.
    Das Tool eignet sich wunderbar zum erklären von Wohnungsgrundrissen, Karten, Umgebungsplänen, Geometrie, Diagramme oder einfach zum künstlerischen Darstellen. Toll!
  6. Bevor Sie Ihr Kind für die Schule anmelden, sollten Sie eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben und sich nach einem Anwalt mit Erfahrung im Behindertenrecht umsehen (Fragen Sie bei Ihrem Blindenverband, z.B. DBSV). Sie werden ihn oft brauchen. Um Ihr Recht zu bekommen. Das Recht Ihres Kindes! Für die Durchsetzung von Hilfsmittelbedarf und ggf. der inklusiven Beschulung Ihres Kindes.
  7. Generell ist jetzt die Zeit sich mit der Frage Schule auseinander zu setzen. Hören Sie sich um und recherchieren Sie. Ziehen Sie zunächst jede Form von Schule in Betracht. Entscheidend ist wie so oft der Mensch, nicht das System. Beziehen Sie unbedingt neben der Einzugsschule auch private Träger wie evangelische, katholische, Montessori, Walldorf, bilinguale Schulen, in Betracht. Dort sind für blinde Kinder meist bessere Bedingungen als in einer staatlichen Schule. Niedrige Klassenstärke und immer mehrere Lehrer gleichzeitig im Unterricht sind hilfreiche Bedingungen. Dazu motivierte, offene Menschen als Lehrer und in der Schulleitung. In einer speziellen Blindenschule sind für einige Kinder die Bedingungen oft auch gut (ganz besonders, falls es keine Alternativen gibt), aber auch meist abgetrennt von der Welt. Das kann richtig und wichtig sein. Schauen Sie auf die Möglichkeiten, Ihre Wünsche für Ihr Kind und die individuellen Bedürfnisse ihres Kindes.
  8. Backen und Kochen Sie viel mit Ihrem Kind. Hier bieten sich lehrreiche Erlebnisse! Es lernt die Beschaffenheit verschiedener Materialien kennen und damit umzugehen. Es lernt Flüssigkeiten, Grobes und Pulver abzuschätzen, zu schütten und zu kneten. Es übt zu riechen und zu schmecken und zu geniessen. Es übt zu trennen und zu schneiden, zu formen und zu dekorieren. Von der Krankenkasse bekommen Sie (vermutlich nach Ablehnung und Widerspruch) eine sprechende Waage. Untersuchen Sie gemeinsam Küchenwerkzeuge und Messer sehr genau, bevor Sie sie verwenden und erklären Sie die Funktion. Beim Schütten von Flüssigkeiten hilft ein Finger im Behälter, dass es nicht überläuft. Und wenn doch, lachen Sie mit Ihrem Kind und versuchen Sie es nochmal. Guten Appetit! :-)

    Es gibt viel zu lernen in der Küche. Eine Kinderhand untersucht genüsslich eine Forelle.


Nicht vor 5, vielleicht auch viel später oder gar nicht?


  1. Ein blindes oder stark sehbehindertes Kind benötigt unbedingt auch ein sogenanntes Mobilitätstraining von einer speziell qualifizierten Person, einer/m Mobilitätstrainer/in. In der Regel wird dies ab dem Alter von 5 bis 8 Jahren begonnen und erfolgt mehr oder weniger regelmäßig. Zum Beispiel 6 Monate lang alle 14 Tage. Das macht man alle ein bis 3 Jahre. Mindestens aber bei Umstellungen im Leben wie Einschulung, Schulwechsel, Neue Wege, Wechsel des Wohnortes etc.
  2. Apple bietet mit seinen Produkten (MacOS und iOS) die vielleicht wichtigsten Hilfsmittel für blinde Menschen zur Teilnahme an der Gesellschaft. Die leider noch immer nicht im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen aufgeführte Firma bietet die besten und barrierefreiesten Produkte im Computer- und Personal Assistant-Bereich. Kein Windows-Produkt ist nur annähernd so preiswert, so kompatibel und so umfassend barrierefrei. Der verbreitetste Screenreader „Jaws“ für Windows wird von Kassen finanziert, ist sehr viel schlechter, kostet aber mehr als ein ganzes MacBook Air inkl. barrierefreiem System. Und die Jaws-Updates kosten regelmäßig wieder Geld. Wir fordern, dass die Krankenkassen endlich anfangen an dieser Stelle zu sparen und Apple-Produkte ins Hilfsmittelverzeichnis aufnehmen.
  3. Punktschrift oder Hörbuch? Irgendwann zwischen 5 und 7 Jahren stellt sich diese Frage. Die Empfehlung der Experten ist, keinesfalls das Lesen und Schreiben von Punktschrift zu vernachlässigen, denn die Intensität der Nutzung bedingt die Lese- und Schreib-Kompetenz. Wer mehr liest und schreibt, beherrscht auch die Rechtschreibung besser. Nutzer, die hauptsächlich Sprachausgabe nutzen haben laut einer Studie erheblich schlechtere orthographische Kompetenz und damit auch schlechtere Berufschancen. Auch macht die Lesepraxis schneller. Das ist wichtig, denn Punktschriftleser lesen 10 bis 30% langsamer als Schwarzschriftleser. Und genau hier kommt das Hörbuch und die Sprachausgabe des Computers ins Spiel. Im privaten Bereich, also beim Lesen von Literatur ist Geschwindigkeit kein Problem. Unter Zeitdruck, also in Schule, Uni und Beruf, ist der auditive Zugang zu Informationen erheblich schneller und deshalb zu oft bevorzugen. Durch Erhöhung der Ausgabegeschwindigkeit der Sprachausgabe können blinde Leser Texte um bis zu 40% schneller erfassen als sehende Leser die Schwarzschrift. Eine Art automatischer Nachteilausgleich.
  4. Schüler mit Sehbehinderung und Blindheit im inklusiven Unterricht: Praxistipps für Lehrkräfte (Inklusiver Unterricht kompakt) Taschenbuch.
    Wie gelingt gemeinsamer Unterricht von SchülerInnen mit und ohne Sehbeeinträchtigung? Welche Unterrichtsmaßnahmen, organisatorischen Bedingungen und Hilfsmittel sind dafür notwendig? Das Buch unterstützt Lehrkräfte ohne blinden- und sehbehindertenpädagogische Ausbildung bei der Gestaltung und Durchführung eines inklusiven Unterrichts. Wichtig ist die Differenzierung nach Maßnahmen für SchülerInnen mit Blindheit und Maßnahmen für SchülerInnen mit Sehbehinderung. Es werden konkrete Aspekte der Umsetzung wie Informationszugänge, Kommunikation und Raumgestaltung praxisorientiert dargestellt. Ein eigenes Kapitel liefert wertvolle Informationen und Tipps rund um das Thema Nachteilsausgleich. Passend hierzu sind Tipps und Anleitungen, wie man in der Schule Material umarbeitet um es taktil durch das Kind nutzbar zu machen. Wir können dieses sehr umfangreiche und optimal ausgearbeitete Online-Handbuch „Guidelines and Standards for Tactile Graphics“ empfehlen, das wir auf englisch gefunden haben. Wenn jemand ein deutsches kennt, bitte teilen Sie uns das mit.
  5. Unbedingt: Eltern-Kind-Tandems! Ein Tandem, das vorn ein Kinderrad und hinten ein Erwachsenenrad ist! Für uns und unsere Tochter ist es fantastisch! Wir haben eines gebraucht für 350€ über eine Kleinanzeige gefunden, bei dem das Kind vorn mitlenken kann! Das ist besonders schön. Wir fahren damit in die Schule und auch sonst überall hin. Das Kind wird fit und wird gut durchgelüftet. Etwa ab 110 cm Körpergröße passt das mit den Beinen. Die Vorteile gegenüber Auto-Kindersitz oder Fahrrad Anhänger liegen auf der Hand: Man hat das Kind im Blick, kann sich mit dem Kind während der Fahrt unterhalten und es sitzt nicht einfach nur da. Meist wird ein Eltern-Kind-Tandem auf Antrag von der Krankenkasse bezahlt. Dann nennt man es einfach „Therapie-Rad“ und es klappt.
  6. Neue Schulbox der „Nummer gegen Kummer“ auch für junge Menschen mit Behinderungen von Lehrkräften und Schulen bestellbar.
    Die Beratungsangebote von „Nummer gegen Kummer“ bieten hilfesuchenden Kindern und Jugendlichen Unterstützung in allen Lebenslagen. Um die Angebote auch bei jungen Menschen mit Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel Blindheit oder Sehbehinderungen, bekannter zu machen und ihnen zu vermitteln, dass es gut ist, sich bei Sorgen und Problemen Hilfe zu suchen, hat Nummer gegen Kummer e.V. die Materialien der aktuellen Schulbox weiterentwickelt.
    Neben Infokarten und Flyern zu den Beratungsangeboten sind in jeder Box auch Stickerbögen und Armbänder mit Blindenschrift enthalten. Das beiliegende Kartenset mit Sorgenbeispielen ist Teil einer Unterrichtskonzeption zum Thema „Sorgen und Probleme“. Unter http://www.nummergegenkummer.de/materialien stehen die dazugehörige Handreichung mit zwei Unterrichtseinheiten sowie Arbeitsblätter für Lehrkräfte an Förderschulen und Schulen des Gemeinsamen Lernens zum kostenlosen Download zur Verfügung.

16 Antworten zu Tipps für Eltern und Pädagogen blinder Kinder

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  3. Bozhidara sagt:

    Der Artikel war sehr interessant. Ich muss aber anmerken, dass das Augendrücken nicht so leicht zum abgewöhnen ist… Bei mir war das so, dass ich als Kind immer die Faust gegen meine Augenhöllen gedrückt habe und selbst nicht genau wusste, warum ich das tat. Manche sagen, dass blinde Menschen dadurch einen Lichtreiz war nehmen, der für sie entweder angenehm oder irgendwie nützlich sei. Stimmt das? Jedenfalls verschwand bei Mir diese Angewohnheit sobald meine Augen operiert wurden. Und das, dass die Augenhöllen dadurch tiefer werden stimmt wirklich. Und ich hätte eine Frage: und zwar, wie kann man einem blinden Kind angewöhnen sich nicht im Kreis zu drehen, denn bei mir war das so, dass ich mich als Kind zwar ausreichend bewegt habe, aber trotzdem dieses Drehen sein musste.

    • Steffen Zimmermann sagt:

      Danke für Deinen Erfahrungsbericht. Das Drehen abzugewöhnen ist auch nicht so einfach – vielleicht sogar unmöglich bei einem Kind. Jedenfalls kann man das Kind dazu anhalten, dass es sich nie dreht bei einer Unterhaltung, besonders während es mit jemandem spricht. Denn es ist ein klares soziales Problem, wenn man sich nicht demjenigen zuwendet, mit dem man eine Konversation führen möchte. Das führt in der Regel dazu, dass man nicht wahrgenommen wird, oder dass man überhört wird. Das verstehen Kinder aber erst, wenn sie die Erfahrung machen.

  4. Jens sagt:

    Hallo,

    gibt es Tipps, wie man zu einem Braille Etikettierer kommt? Sie empfehlen in Ihrem Leitfaden entsprechende Geräte und/oder Dymobänder. Die Suche im Internet ist bisher leider recht trostlos verlaufen. Elektrische Geräte kosten ein Vermögen und ein älterer Handetikettierer der Firma Scotch ist in Deutschland nicht (mehr?) erhältlich.
    Ich bin dankbar für jeden Hinweis. ;-D

    Liebe Grüße
    Jens

    • Steffen Zimmermann sagt:

      Lieber Jens, leider können wir nur bestätigen, was Sie bei Ihrer Recherche herausgefunden haben. Die mechanischen Etikettierer werden nicht mehr hergestellt und die elektrischen kosten über 600€. Wir empfehlen Ihnen dringend eine neue oder (über Foren oder ebay) eine gebrauchte Punktschriftmaschine zu kaufen. Manche können sogar Dymobänder beschriften, bei anderen legt man einfach Klebefolie ein und schneidet sie dann zu. Gebrauchte findet man ab 150€ und neue ab 500€. Sie werden sie immer wieder brauchen und es ist für Ihr Kind nicht anders als für sehende Kinder. Wenn man etwas aufschreiben will, braucht man ein Werkzeug dafür. Egal ob zuhause, in der Kita, in der Schule, auf Reisen, auf dem Wochenendgrundstück oder bei Oma und Opa. Wir haben inzwischen 6 Maschinen! :-)
      Viele Grüße!

  5. Michael sagt:

    Dieser Artikel ist wirklich äußerst interessant und erfrischend modern. Man hört immer noch zu oft von Eltern, die ihren blinden Kindern mehr Grenzen setzen als Möglichkeiten aufzeigen, und diese sollten hier dringend mal nachlesen. Ich habe selbst keine Kinder, aber mir hat die Lektüre Spaß gemacht und so manchen Aha-Moment beschert.

    Eine Bemerkung möchte ich aber doch anbringen: die Aussagen bzgl. Apple-Produkten kann man aus heutiger Sicht so nicht stehen lassen. Es ist zwar richtig, dass iOS nachwievor das mit Abstand beste Mobilbetriebssystem für Blinde ist (ich bin selbst intensiver iPhone-Nutzer), aber die Aussagen über Mac OS X sind so einfach nicht richtig. VoiceOver unter OS X kommt nicht annähernd an den Funktionsumfang und die Zugänglichkeit von JAWS heran, und heute ist ein Mac mit Voiceover alles andere als komplett zugänglich. Dazu kommt die unnötig komplizierte Bedienung von VoiceOver unter OS X, die im klaren Gegensatz zur Einfachheit und Übersichtlichkeit von Produkten wie NVDA steht, und selbst JAWS ist in vielen Fällen einfacher zu nutzen, auch wenn man dort als Einsteiger eher über den enormen Funktionsumfang stolpern kann.

    Und wen wir gerade bei NVDA sind: mit dieser Software steht heute ein vollwertiger, kostenloser Screenreader zur Verfügung, der über einen guten Funktionsumfang verfügt, sehr schnell und zuverlässig ist und durch sehr einfache Bedienung und Konfiguration glänzt. NVDA war jahrelang mein einziger Screenreader, und ich bin damit prima zurechtgekommen. Lediglich die steigenden Anforderungen im Job haben mich mittlerweile Richtigung JAWS bewegt.

    Auch diesem Grund hinkt dann heute auch der Kostenvergleich gewaltig. Ein qualitativ gutes Windows-Laptop mit Betriebssystem und NVDA kann man problemlos für unter €500 anschaffen. Für diesen Preis bekommt man bei Apple höchstens ein mitleidiges Lächeln. Und das berücksichtigt nicht einmal die Folgekosten durch die geringe Auswahl an Software unter OS X und die teilweilse recht fragwürdige Produktpolitik seitens Apple.

    Ich jedenfalls wäre mit Forderung, Apple zum Standard in Sachen Computernutzung durch Blinde zu machen, da doch sehr, sehr vorsichtig.

    Und was den erzieherischen Aspekt angeht: Mac OS X ist im professionellen Einsatz in den meisten Branchen immer noch praktisch bedeutungslos. Solide Kenntnisse in der Windows-Nutzung könne dagegen aber ein zentraler Aspekt bei der Jobsuche sein. Und da es viele Jahre dauern kann, bis ein Blinder Computeranfänger zum erfahrenen „ist doch kein Problem“ Nutzer wird, würde ich auch das bei der Systemwahl berücksichtigen.

    • Reiner sagt:

      @Michael, es geht hier nicht um den beruflichen, bzw. professionellen Anwänder, sondern um Kinder, die in der Tat und bei uns auch erfahrungsgemäß sehr wohl deutliche Vorteile mit OSX hatten. Die Preispolitik von Apple sollte hier keine Rolle spielen. Ich finde, wir sollten uns hier in der Tat auf die kindlichen, bzw. schülerbedürfnisse beziehen, die ganz klar und aus der Masse der Erfahrung bei Apple liegt und nicht beim Einzelanwender.

  6. Schiering sagt:

    Hallo zusammen,

    bin gerade am Überlegen ob ich die Tiptoi Stifte für unseren Sohn ausprobiere, die sind ähnlich wie die Schleichtiere aber mit Geräuschen etc. Hat jemand schon Erfahrung damit???

    Grüße aus Niederbayern

    • Nadine Pöpelt sagt:

      Hallo Schiering,
      meine blinde Tochter hat sie zu Weihnachten bekommen, ich finde sie klasse zum fühlen und zum hören!
      Ein grosser Nachteil für uns ist, das ein kleines Buch an jedem Tier dran ist, zum einschalten und für die Funktionen. Aber wenn ich mit ihr zusammen spiele geht es gut, bloß ohne Hilfe schimpft sie oft. Die Bücher sind halt sehr klein leider, wir haben bei den Büchern Punkte geklebt, damit spielt sie wunderbar alleine, bei den kleinen Büchern zu den Tieren ist es schwieriger.

      • Schiering sagt:

        Liebe Nadine,
        Danke für die Antwort. Darf ich noch fragen wie alt deine Tochter ist? Unser Sohn ist jetzt 3 1/4 kennt und hört Tiptoi bei der großen Schwester (5) schon immer mit. Das funktioniert übrigens super. Er hat den Hasen und den Fuchs in der Hand und sie sucht im Buch ( Wald ) auf allen Bildern was sie über die passenden Tiere findet. Das klappt recht gut.
        Grüße aus Niederbayern

  7. isabelle sagt:

    Vielen Dank fuer die guten Tips! Wir wohnen in Paraguay, Suedamerika. Hier wird dem blinden Kind nur mit 5 Jahren der Umgang mit Bl-stock beigebracht. unsere kleine Tochter ist 2 Jahre alt und stolpert oft. Wir haben einen Bl-stock besorgt, aber dazu gibt es keine Anleitung. Wie bringe ich meinem Kind den Gebrauch vom Bl-stock bei?
    Noch eine Frage: Unsere 2 Jahreige blinde Tochter waechst zweisprachig auf. Sie spricht nur sehr wenig. Kennt ihr andere blinde Kinder die zweisprachig auchwachsen? Tips?
    Eine Antwort von euch waere mir sehr wichtig und hilfreich, denn hier herrscht noch viel Unwissen im diesem Bereich. Wir beanken uns herzlichst im Voraus, Isabelle.

  8. Schiering sagt:

    Habe mir heute mal wieder eure tolle Liste mit euren Tips und Vorschlägen durchgelesen. Sie sind alle richtig und gut, ich merke nur immer wieder im Alltag mit unserem blinden Sohn wie viel mühsamer und zeitaufwendiger es ist einem blinden Kind z.B. das Anziehen zu lernen, wenn sich die sehende Schwester schon manchmal „stunden“ Zeit läßt. Die Tage haben wir mal ein Regal zusammengebaut, die Große hat es sehr schöne dem Kleinen erklärt und ihn auch mit seinen Händen mitschauen lassen, aber dann doch irgenwann leicht entnervt gesagt: „Der kann das einfach noch nicht, der ist noch so klein und sehen tut er es auch nicht“. Vielleicht könnt ihr da auch noch den ein oder anderen Tipp dazu schreiben.

    • D sagt:

      Mir wurde das Anziehen so beigebracht, indem man mir eine Puppe gab und ich sollte sie anziehen. ein Kleiner tipp wäre, die Zettel hinten von den Klamotten nicht rauszuschneiden, weil sonst würde dein Kind nicht wissen, was vorne und hinten ist. Es gibt auch klamotten, wo man vorne auch die Bilder oder den Schriftzug fühlen kann.

  9. Mone sagt:

    Hallo,
    das sind sicher tolle Tips für Kinder die „nur“ blind sind. Leider nicht
    so geeignet für Kinder die nicht laufen und sprechen können
    und nur mit einer Hand greifen und fühlen können.
    LG, Mone

    • Steffen Zimmermann sagt:

      Hallo Mone,
      danke für den Hinweis. Das ist uns absolut bewusst, dass wir einen Pool an Ideen und Möglichkeiten anbieten, der nicht für alle Kinder und Eltern anwendbar ist oder passt, sondern es bleibt auch hier für alle Eltern und Erzieher nur die Möglichkeit individuell zu filtern. Viele der Vorschläge sind für jeden eine Anregung. Auch die Kinder mit weiteren Einschränkungen brauchen eine Umgebung, die ihnen keine zusätzlichen Grenzen auferlegt, sondern sie in jeder Hinsicht ihrer Kapazitäten und Möglichkeiten fordert und fördert. Bücher, Pläne, Materialien, Bedeutung, Worte, Bildung, Mobilität, Selbstbestimmtheit, Liebe u.v.m. – all das sind Dinge, die für alle Kinder wichtig sind.
      Liebe Grüße
      Steffen

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