In diesem Artikel geht es von den ersten Berührungen der Kinder und der Eltern mit der Brailleschrift bis zu Empfehlungen technischer Geräte, die ab dem Gymnasium gebraucht werden.
Erste Begegnungen mit der Brailleschrift können blinde Kinder (natürlich abhängig von ihrem jeweiligen Entwicklungsstand insgesamt) durchaus zeitgleich mit ihren sehenden Altersgenossen haben. Der Familienname am Klingelschild und einzelne Wörter im taktilen Bilderbuch können erste Einladungen zum Tasten der Punktschrift sein.
So fangen Sie an
Nachdem Sie sich selbst mit der Punktschrift etwas vertraut gemacht haben (z.B. hier), kaufen Sie eine 6-Punkt Braille-Schreibmaschine im Idealfall mit Prägebandadapter (für Dymoband). Beschriften Sie Kinderbücher und Spielzeug, sowie Stühle und Zimmer und zeigen Sie Ihrem Kind welche Bedeutung Schrift hat. Lesen Sie ihm aus Kinderbüchern mit Punktschrift vor. Das Kind lernt: „es sind Zeichen, die für einen Begriff stehen – und diesen Begriff kann man aussprechen und mit Leben füllen. Wenn man darüberstreicht kann man vorlesen“. Machen Sie lange Linien aus Braillezeichen und fügen Sie irgendwo eine Ausnahme ein, dann lassen Sie das Kind die Ausnahme finden. Das könnte eine Einpunktlinie aus c sein, wo irgendwann ein anderes Zeichen dazwischen liegt. Daraus lassen sich dutzende Muster tippen und das Kind darf Lob und Belohnung erwarten, wenn es das Steinschen findet.
„Wo ist der Stolperstein?“ oder „Wo ist das Loch?“. Das wäre in Braille ccccccccgcccccccc und sieht so aus:
⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠛⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉
und ccccccccacccccccc sieht so aus:
⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠁⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉.
Punktschrift lernen, aber wie?
“Es gibt etwas wunderbares beim Braille lesen, das sehende Menschen nie kennen werden: Man berührt Worte, die einen berühren” – Jim Fiebig
Sie stehen vor der Frage, wie man ganz konkret anfängt?
Mit Steckbrett, Maschine, Klettbrett oder Eierschachtel? Mit Buchstaben, Silben oder Worten? Und mit welchen? Mit der Erklärung des Braille-Systems? Der Idee wozu es da ist? Oder direkt mit der Anwendung von Worten?
Auf keinen Fall kann man das pädagogische Konzept für sehende Kinder übernehmen (Lückentexte oder nach Bildern) – man geht nach einem anderen Prinzip vor.
Als erstes können Sie in der Wohnung und in der Kita alle eindeutigen Dinge beschriften. Wir haben von Anfang an alles mögliche in Punktschrift mit der Braille-Dymoprägezange oder der 6-Punkt Braille-Schreibmaschine mit Prägebandadapter beschriftet (also Küche, Kinderzimmer, Wohnzimmer, Bad, Kühlschrank, Buchtitel, Sitzplätze und Stühle mit Mama, Papa etc.) und den Namen des Kindes auf persönliche Gegenstände geklebt. Man nimmt dazu am besten ein transparentes Dymoband. Für Kinder spielt oft der eigene Name eine große Rolle. Die Wörter sollten nicht gesperrt geschrieben werden, weil bei der Ganzworterkennung die enge Schreibweise durchaus gewollt ist. So bildet das ganze Wort eine wiedererkennbare Form und es kann schneller gelesen werden als beim Ertasten von Einzelbuchstaben.
Auf ganz natürliche Weise haben wir unserem Kind beim Vorlesen die Punktschrift in den Büchern gezeigt. Häufig erinnern wir es: Linker Zeigefinger auf den jeweiligen Zeilenanfang, rechter Zeigefinger liest (von uns unterstützt) mit. Unser Kind ist trotzdem ein Linksleser geworden, was einiges umständlicher macht.
Als spielerischen Weg zum Lesen empfehlen wir die „Taststraße zur Punktschrift“ von Markus Lang, mit der auch wir angefangen haben (siehe weiter unten). Eine Punktschriftmaschine leistet doppelten Dienst: beim täglichen Spielen und beim Beschriften. Wir hatten gleich zwei Maschinen im Einsatz, eine alte gebraucht ergattert und ein Vorführmodell von einer Messe gekauft. Heute haben wir fünf! Gut ist, wenn man Dymobänder in die Maschine einlegen kann, um Objekte in der Wohnung und Kita und Bücher zu beschriften. Man kann aber auch festere selbstklebende Folie verwenden. Die Maschine braucht man also fast von Anfang an. Das Kind soll auch alles an der Maschine ausprobieren und selbst damit spielen, Spaß haben, Muster machen, fühlen. Das trainiert den Umgang mit der Maschine und die Kraft in den Fingern sowie das Tastempfinden in den Fingerspitzen. Keine Sorge, die Maschinen sind robust und langlebig. Blinde Kinder müssen im selben Maß spielerischen und ungezwungenen Schriftkontakt erhalten wie sehende Kinder.
Es hat lange gefehlt. Jetzt ist endlich ein Buch für Vorschulkinder erschienen zum Erlernen des Lesens und Schreibens. Inklusiv! Also sehende und blinde Kinder lernen gemeinsam aus einem Buch! Unverzichtbar.
Die neun Hefte dieses Werkes bilden ein inklusives Lernmittel, das Vorschulkinder mit Blindheit sowie mit und ohne Sehbeeinträchtigung im Sinne des „Emergent Literacy-Ansatzes“ gleichermassen und gezielt auf einen modernen Schriftspracherwerb vorbereitet. Integriert in kindgerechte und handlungsorientierte Geschichten findet die Auseinandersetzung mit Braille- und Schwarzschrift anhand von visuellen und haptischen Aufgabenstellungen statt.
Weitere Impulse für Interesse an Schrift können sich zum Beispiel durch den Kindergarten ergeben, wenn vorgelesen wird oder sich die Spielkameraden für das Schreiben und Lesen zu interessieren beginnen – da darf und will ein blindes Kind nicht nachstehen. Daher stellt sich dann schnell die Lernfrage. Wie beginnt man und was braucht man?
Lesen: Wenn der eigene Name als Ganzes erkannt werden kann (im Grunde ist dazu keine Buchstabenkenntnis nötig), können weitere Namen dazukommen (z.B. die Familienmitglieder oder Freundinnen). Die Kinder bilden dann erste Strategien über Schrift: Namen werden an der Wortlänge erkannt und zugeordnet, an markanten Zeichen am Anfang etc. Das sind wichtige Strategien vor dem eigentlichen Buchstabenlehrgang. Markus Lang spielt mit seinen Schülern oft ein Namenquartett (vereinfacht als „Duett“: bereits Pärchen können abgelegt werden). Also einfache Quartett-Spielkarten mit Namen aus dem Familien- und Freundeskreis beschriften. Jeder Name also vier mal.
Schreiben: Für das Schreiben sind Übungen zur Kräftigung und zur Fingerkoordination wichtig, aber auch die Bezeichnung als Finger 1, 2, 3 – 4, 5, 6 analog der Tasten auf der Braillemaschine. Links: Zeigefinger=1, Mittelfinger =2, Ringfinger=3 – Rechts: Zeigefinger=4, Mittelfinger =5, Ringfinger=6. Mit der Bezeichnung der Finger kann man schon sehr früh anfangen. Das Schreiben und Verstehen fällt dann leichter und kann später wirklich parallel zum Lesen erfolgen, wenn die Finger korrekt den Tasten zugeordnet werden können.
Man muss auf die andere Reihenfolge der Buchstaben-Einführung achten; sie ist ganz anders als bei sehenden Kindern. Man fängt auf der Maschine mit linksseitigen Buchstaben an, erst a, b dann l. Somit kann man ein kurzes Wort lesen: Ball. Dann geht man auf die rechte Seite über, also p, r.
Als Text zum Nachlesen oder zur Orientierung ist das Kapitel „Lesen und Schreiben“ in der „Didaktik des Unterrichts mit blinden und hochgradig sehbehinderten Schülerinnen und Schülern, Band 2“ zu empfehlen, das Herr Lang zusammen mit Frau Hofer und Frau Beyer 2011 herausgegeben hat.
Damit Freude am Lesen aufkommt und wächst
- Beziehen Sie Wörter auf eigene Erfahrungen des Kindes (z.B. “Neulich haben wir so ein Polizeiauto gesehen”, “Vor Weihnachten warst du auch ganz aufgeregt”)
- Am wichtigsten ist, dass das Kind positive Emotionen erlebt (Lachen Sie gemeinsam über lustige Inhalte. Haben Sie Spaß daran, Neues dazu zu erfinden.)
- Lesen sollte als freudvolle Interaktion stattfinden.
Antworten Sie geduldig und kreativ auf die Fragen Ihres Kindes. Stellen Sie gerne offene Fragen, auf die das Kind verschieden antworten kann (z.B. “Was würdest du hier einkaufen?”, “Was könnte der Junge jetzt machen?”) - Beenden Sie das gemeinsame Lesen, bevor das Kind es selbst möchte. So wird es nie als Pflicht empfunden.
- Es sollte dann gelesen werden, wenn das Kind es selbst möchte.
(nach der “Joy method” von Dr. Söderbergh)
Eierkartons, Steckbrett oder Häuschen
Markus Lang sagt: Die Braillezellenanalyse, also die Vergrößerung von Braillezeichen (wie z.B. mit Eierkartons, Steckbrett oder Häuschen mit sechs Zimmern) hilft nur Späterblindeten, aber hilft geburtsblinden Kindern nicht. Diese scheinbaren Hilfen sind viel zu visuell gedacht! Blinde Kinder nehmen die Braillebuchstaben als Textur und nicht als einzelne Punkte wahr, sie können deshalb keinen Zusammenhang herstellen zwischen den besetzten Zimmern o.ä. und einem Braillebuchstaben. Ganz deutlich wird das durch die Aussage eines Schülers: Er meinte Jahre später, dass er eigentlich zweimal lesen gelernt hat – auf der einen Seite den Eierkarton, auf der anderen Seite die Braillezeichen auf Papier. Nur was diese beiden Systeme miteinander zu tun hatten, hat er erst als Erwachsener verstanden. Wir raten – auch aufgrund unserer eigenen Erfahrung – völlig von vergrößerten Darstellungen ab. Unser Kind kann auch nicht von gelesenen Buchstaben darauf schließen, wie sie auf der Maschine geschrieben werden! Das hat uns verblüfft, aber jetzt sind wir schlauer. Das Lesen und das Schreiben sind offenbar zwei getrennte Lernprozesse.
Punktschriftmaschine – mechanisch oder elektrisch?
Eine gute mechanische Braille-Schreibmaschine ist der Perkins Brailler. Nachteil: mechanische Schreibmaschinen brauchen gleichzeitige Kraft und Koordinationsfähigkeit der Finger. Kinder unter 6 haben damit oft Probleme! Vorteil: Sie sind einigermaßen leise und können auch während des Unterrichts in der Schule genutzt werden. Empfehlung ab 5 bis 7 Jahre.
Seit langem sind die Elotype und der Mountbatten Writer Plus auf dem Markt. Das sind elektrische Braille-Schreibmaschinen. So etwas kann auch als Drucker vom PC aus verwendet werden und man kann mit einer angeschlossenen QWERTZ-Tastatur in Schwarzschrift eingeben, was dann in Punktschrift gedruckt wird. Wichtiger weiterer Vorteil: Auch ein sehr kleines Kind mit wenig Kraft kann die Tasten einer elektrischen Maschine problemlos drücken. Texte, Geschichten, Grafik oder Unterrichtsmaterial können einfach vom PC aus gedruckt werden. Empfehlung ab 3 Jahre. Leider sind die Maschinen nicht so richtig leise und sehr schwer.
Die Elotype oder Mountbatten kosten etwa 3.000€. Die Kosten übernimmt in der Schule die Eingliederungshilfe/Behindertenhilfe oder das Schulamt. Vor der Einschulung muss die Krankenkasse meist mit viel Aufwand davon überzeugt werden, dass auch blinde Kinder zur gleichen Zeit wie sehende lernen können, müssen und wollen. Eine rein mechanische Maschine, z.B. der Perkins Brailler kostet zwischen 800 und 1.300€, die die Krankenkasse übernehmen muss. Gebraucht findet man manchmal mit Glück auch welche ab 200€.
Unser Tipp für sehr gutes Braille-Papier ist das Papyrus 88026786 Planosuperior. Das gibt es in 120g und in 160g Stärke. 120g reicht eigentlich für alles und ist preiswerter und dünner als die überteuerten Spezial-Papiere aus dem Hilfsmittelbereich.
Die Braillezeile ist die nächste Stufe
Ab der 3. oder 4. Klasse wird es elektronisch – Lesen Sie hier weiter
Hallo liebes Team Anderes Sehen e.V.,
unsere Tochter ist vor 3 Wochen komplett erblindet. Sie war vorher schon sehr stark sehbeinträchtigt, so dass wir mit Tastur- und Braille schreiben bereits seit einem 1/2 Jahr dabei sind, was ihr jetzt zugute kommt. Hilfreich und toll fanden wir den Gutschein von der Blindenschule für den kostenlisen Erhalt der Lego Foundation Braille Bricks: https://www.stonewars.de/news/lego-braille-bricks-ab-sofort-fuer-bestimmte-organisationen-einrichtungen-kostenlos-verfuegbar/. Wir konnten diese über Leipzig einlösen: https://www.dzblesen.de/lego Unserer Tochter hat dies sehr erleichtert, über die Legisteine die Grundlagen der BrailleSchrift spielerisch zu erlernen.
Vielen Dank für diese Infos. Aus oben genannten Gründen wollen wir die Braille Bricks aber dennoch nicht generell empfehlen.
Wir glauben, dass sie gut für späterblindete Menschen sind, die bereits Lesen und Schreiben gelernt haben und das System erlernen wollen. Sie sind auch für Sehende geeignet, die Braille mit den Augen lesen wollen.
Sie sind NICHT geeignet für geburtsblinde Kinder als Leseanfänger! Das Lesen von Braille sollte nicht als theoretisches System vermittelt werden (z.B. Punt 1 + 2 ist ein b) sondern durch das Gefühl unter der Fingerkuppe (so fühlt sich ein b an). Markus Langs „Taststraße zur Punktschrift“ führt die Finger und trainiert das Gefühl. Siehe oben, Abschnitt „Legeo Braille Bricks …“
Hallo, ich habe über die Jahre so viel hier gelernt und wollte unsere Methoden beitragen. Vielleicht hilft es jemandem: Wie wir unserem Kind lesen und zählen beibringen.
Wir haben alle Bücher von anderes sehen bestellt, die wir bekommen konnten, so früh wie möglich. Wir haben unserem Kind die Bücher vorgelesen, es durfte darin tasten und blättern. So bekommt es auch schon ein Gefühl für Linearität: Der Reihe nach, vorwärts, keine Sprünge oder Wiederholungen (wg. zusätzlicher Einschränkungen / Immobilität / hohem Assistenzbedarf ist das überhaupt nicht trivial für unser Kind). Mit circa 3,5 Jahren bis 4,5 Jahren interessierte es sich dann konkret für Text und Schrift. Es fühlte selber nach den Punkten. Wir führten dann vorsichtig, nur stützend, seine Hand über die Linien und lasen synchron das vor, was es gerade unter den Fingern hatte. Wir lasen ihm sehr viel vor, sprachen immer sehr viel und sehr deutlich (Wortenden, n, l, m, t etc.) und benannten alles und konkret (von Anfang an links, rechts etc.). Wir sangen viel, erzählten Reime und so weiter. Wir sprachen auch über Text, Sprache, Buchstaben und Laute. Wir suchten Reimwörter. Später dann Wörter, die mit dem gleichen Laut anfingen. Dann konnte man auch schon darüber sprechen, mit welchem Laut Worte anfingen. Wir zerlegten Wörter in Silben und später in Laute. Für die Silben eigneten sich Reime und Lieder sehr gut. Um Worte in Laute zu zerlegen, kann man sie ganz langsam sprechen oder auch zum Beispiel auf Endlaute und Reime achten. Man kann auch Minimalpaare (nur ein Laut unterscheidet sich) suchen: Hut, hat, Haut, Hit und so weiter. Dann kann man versuchen, zu Fusionieren, z.B. als Spiel: „Rate mal, welches Tier das ist: Huuuuuuuuunnnnnnnnnnnnnd“ usw. Durch die ganzen sprachlichen Vorübungen konnte kind hier schon richtig „buchstabieren“ und hat Bewusstsein für „Orthografie“, halt nur mit Lauten. Auch das Kind mit Qwertz-Tastatur und lautweiser Sprachausgabe spielen lassen oder gestützt selber Worte mit Tastatur und Sprachausgabe schreiben lassen, war sehr beliebt.
Für das Tastenüben gibt es neben den Büchern hier ganz viele Tipps. Wir haben spielerisch mit der Taststraße geübt, beliebt waren z.B. die Auto-(S-Bahn-…)Rennen mit viel Geräusch, rumpelige Straßen etc. Die Zweihand-Übungen der Taststraße gingen wegen den zusätzlichen Einschränkungen nicht, die haben wir halt nicht gemacht. Wir haben Objekte zuhause mit Dymobändern beschriftet. Da war wichtig, wo man die Schrift platziert, damit sie gefunden wird (z.B. da, wo man hinfasst, um das Objekt zu benutzen).
Das Erlernen von Taststrategien ist auch noch hilfreich. Dazu fand ich das Buch „Meine Finger lernen Sehen“ hilfreich. Ansonsten, haben wir gesagt: Zuerst mit der ganzen Hand einen Überblick verschaffen, dann links oben mit dem Lesen beginnen. Oder von einem Objekt aus in kreisenden Bewegungen die Umgebung erfassen (z.B. Orientierung auf dem Telefon, Tastatur und Tablets).
Als weiterer Schritt kommt die konkrete Verknüpfung der Laute mit den Punktschriftbuchstaben. Den Schritt hat man aber auch schon mit dem synchron Tasten und Vorlesen und der Tastaturarbeit vorgeübt und einige Wörter könnte kind dadurch auch schon tastend (bzw. an der Tastatur als Bewegung) erkennen, „lesen“. Zusätzlich haben wir ein Alphabetlied auswendig gelernt und als Dymoband das Alphabet einmal stupide ausgedruckt, so dass kind mit Strahl und Lied selber die Buchstaben-Laut-Zuordnung einüben kann. Als weiteres haben wir uns eine Dorner-Fibel ausgeliehen zum Üben: Wie beim Vorlesen wird synchron durch eine Hilfsperson vorgelesen, was das Kind unter den Fingern hat. Hat man hier, was ich nur empfehlen kann, schon ein Brailledisplay, kann man statt oder zusätzlich zur Fibel eigene Minimalpaare, taktil einfache aber ansprechende Texte oder Lieblingswörter zum Üben benutzen.
Irgendwann kann man beim Vorlesen dazu übergehen, das Kind zu fragen, was denn da steht. So beginnt es dann spätestens selber, bewusst zu lesen bzw. vorzulesen. Wichtig bleiben die Bücher von anderes sehen, aus den Punktschriftbibliotheken: Das Üben muss Spaß machen und der Sinn/die Relevanz muss immer erkennbar sein: Ich kann selbstbestimmt Text konsumieren, Texte lesen etc.
Es gibt es kein Mindestalter: Auch Babys kann man alles benennen, mit Ihnen deutlich sprechen, Reime erzählen und so weiter. Und das sollte man ohnehin tun. Zuerst steht die Kommunikation im Vordergrund, später kann man dann auch vorsingen oder vorlesen und dann wird der Text selbst interessant.
Für Kinder, die noch genug sehen können und Schwarzschrift lernen können, eignet sich eventuell das Herangehen unter http://aacliteracy.psu.edu/.
Unser Kind kann nicht visuell abzählen und auch nicht taktil, da es zusätzliche Einschränkungen hat. Um abzählen zu können, kann man sich unter anderem einen Überblick verschaffen (z.B. taktil) und jedes Objekt genau einmal zählen, ohne etwas zu vergessen oder mehrfach zu zählen. Aber unser Kind kann verbal/akustisch zählen. Stille Objekte abzählen kann es so nicht. Abzählen hörbarer Dinge erübrigt sich dann allerdings bzw. ist trivial, weil das Zählen selbst schon das akustische Abzählen ist. Ich selber habe als sehendes Kind die Zahlen zuerst akustisch/verbal gelernt, als Reihenfolge, Gedicht. Und einige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass auch blinde Kinder Zahlen vor allem als akustischen Zahlenstrahl lernen und später über diesen akustischen Zahlenstrahl ein Gefühl für das Rechnen entwickeln können, statt nur des mühsamen Hantierens mit stillen Objekten. Einen interessanten Artikel hierzu findet man unter https://www.isar-projekt.de/portal/1/uploads/didaktikpool_40_1.pdf . Insofern eignet sich für unser Kind auch hier, die Zahlen zuerst wie ein Lied oder Gedicht auswendig zu lernen. Wenn möglich rhythmisch gegliedert. Vorübungen sind auch hier Reime und Lieder. Ergänzend kann man natürlich Objekte anbieten (Materialien, bei denen die Objekte nicht oder kaum verrutschen können und z.B. aufgefädelt sind, nicht gesucht werden müssen) und besonders einen Zahlenstrahl mit den Ziffern, um auch hier das Lesen einzuüben.
Das sind alles Übungen, die je nach Kind gut vorschulisch, alltagsintegriert gemacht werden können. Und wenn wir eines gelernt haben, dann: Wenn das Kind ein Lerninteresse zeigt, dann um Himmelswillen dem Interesse nachkommen! Nicht aus Prinzip („bis zur Schule“) warten. Das Interesse ist da und kommt vielleicht nicht nochmal. Und die Schule ist leider für blinde Kinder kein Ort, an dem garantiert Lesen etc. vermittelt wird.
Ganz herzlichen Dank für diesen sehr hilfreichen und ausführlichen Aufsatz! Ihre Erfahrungen decken sich mit unseren. Die Dinge sind alle ganz natürlich und logisch und ganz ohne Druck oder „Lernzwang“ aus dem Interesse des Kindes entstanden. Man muss es natürlich anbieten. Übrigens ist auch Schwarzschrift lesen und schreiben lernen für ein blindes Kind ein interessantes, spannendes und hilfreiches Spiel. Das Interesse war da und das Lernen ging schnell. Also, warum nicht! Nun bekommen wir, Freunde, Lehrer und Familie Notizen, Hinweise und Briefchen in Schwarzschrift!
Vielen Dank für Eure tollen Tipps!
Könnt Ihr bitte einen Tipp geben, was für selbstklebende Folie konkret geeignet ist? (Stichwort, Material, Stärke…) Es gibt so viel verschiedenes unter „Folie selbstklebend A4“.
Ich habe bisher für verschiedene Sachen Standard-Laminierfolie ohne Inhalt zusammenlaminiert und dann mit der Punktschriftschreibmaschine beschriftet. Eignet sich halt leider nicht z.B. für Bücher etc.
Phonologische Bewusstheit ist auch noch eine wichtige Sache vor/neben dem Lesen und Schreiben. Wir mögen z.B. „Tagesbuchstaben“: Morgens suchen wir uns einen Buchstaben aus, überlegen uns ein paar Wörter, die damit beginnen und reden dann den ganzen Tag darüber, wenn uns der Buchstabe irgendwo unterkommt.
Auch gut: „Sound-Blending“: Ein Wort g-aaaaaaa-nnnnnn-z lllll-aaaaaa-ng-ssssss-aaaaaaa-mmmmmmm aussprechen und der andere muss erraten, welches Wort es ist (am Anfang z.B. nur aus einem Bereich [z.B. Haushaltsgeräte, Tiere]). Noch ein paar hands-on-Tipps habe ich hier gefunden: http://aacliteracy.psu.edu/index.php/page/show/id/5/index.html Das ist leider nur für sehende Kinder. Aber das meiste kann man anpassen: Statt der Symbolbilder könnte man z.B. mit Anlautkästen arbeiten (Objekte, die mit dem jeweiligen Buchstaben beginnen [Ast, Buch, Deckel, Esslöffel…) zum gesamten Alphabet sammeln und für Aufgaben nutzen [Wörter aus Gegenständen legen und kind muss es erraten oder andersrum]).
Wir nutzen dicke Folien für dauerhafte und oft genutzte Texte und dünne Folien für runde Oberflächen und nicht lange im Einsatz.
Die dicken heissen „NESCHEN“ Filmolux H 200 Hart-PVC Klebefolie, DIN A4
Die dünnen haben keinen Namen aufgedruckt, sorry.
Ich finde es sehr praktisch das meine Mama und mein Papi jetzt alles beschriften können.
Sogar meine Schulhefte.
Danke.
Hallo ich würde mir gerne für unsere blinde Tochter eine 6-punkt Braille Maschine zulegen. Meine frage ist wo bekomme ich sie her und wer übernimmt die kosten? Liebe grüße
Hallo Sarah,
In der Regel übernimmt das die Krankenkasse. Je nachdem, ob die Maschine für zuhause oder die Schule benötigt wird, oder beides, und je nachdem wie alt Ihre Tochter ist und ob sie ev. schon eine Braillezeile hat, übernimmt das ggf. ein anderer Kostenträger.
Die für Sie unkomplizierteste Lösung ist, die RBM (Rechtsberatung des DBSV) anzurufen und dort diese Angaben zu machen. Dann erhalten Sie ein schnelle und rechtlich einwandfreie Antwort. http://www.rbm-rechtsberatung.de
Melden Sie Ihre Tochter als Mitglied in einem der Verbände an (meist für Kinder gratis). Spätestens im Rahmen einer ausführlichen Rechtsberatung oder im Rahmen einer Rechtsvertretung, ist Ihre Mitgliedschaft in einem Landesverband des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. (siehe Mitgliedskarte des DBSV), bei PRO RETINA Deutschland e. V., beim Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. oder bei Leben mit Usher-Syndrom e. V. sinnvoll.
Ich hoffe, Ihnen geholfen zu haben!
Ich danke ihnen gleich morgen bekomme ich von unserer Beratungsstelle ein Termin. Mfg
Im Text ist ein Fehler. Der Perkins Smart-Brailler wird nicht mit einem interaktiven deutschen Lernprogramm ausgeliefert – es ist bis heute noch nicht mal ein deutsches Lernprogramm erhältlich!
Punktschriftmaschinen und Braillezeilen
Eine mechanische Schreibmaschine mit elektronischer Unterstützung, wurde Ende 2012 auf den Markt gebracht und ist auch mit interaktiven deutschen Lernprogrammen ausgestattet, der Perkins Smart Brailler. Nachteil: mechanische Schreibmaschinen brauchen gleichzeitige Kraft und Koordinationsfähigkeit der Finger. Kinder unter 6 haben damit oft Probleme! Vorteil: Sie sind leise und können auch während des Unterrichts in der Schule genutzt werden. Empfehlung ab 5 bis 7 Jahre.
Ganz herzlichen Dank für den Hinweis! Wir korrigieren das. Die Angaben von Perkins lauteten anders.
Der Fernsehbeitrag in der ARD war sehr gelungen!
Vielen Dank für die vielen Tipps und Informationen, die Sie bereits auf dieser website veröffentlicht haben. Ich weiß nicht, wie viele Male ich hier schon nachgelesen habe……
Herzliche Grüße
Sandra Both mit Familie