Lesen und Schreiben lernen, Brailleschrift bzw. Punktschrift oder Blindenschrift

In diesem Artikel geht es von den ersten Berührungen der Kinder und der Eltern mit der Brailleschrift bis zu Empfehlungen technischer Geräte, die ab dem Gymnasium gebraucht werden.

Erste Begegnungen mit der Brailleschrift können blinde Kinder (natürlich abhängig von ihrem jeweiligen Entwicklungsstand insgesamt) durchaus zeitgleich mit ihren sehenden Altersgenossen haben. Der Familienname am Klingelschild und einzelne Wörter im taktilen Bilderbuch können erste Einladungen zum Tasten der Punktschrift sein.

So fangen Sie an

Kinderhände lieben Braille

„Meine Hände lernen lesen“. Kinderhände sind neugierig und sensibel.

Nachdem Sie sich selbst mit der Punktschrift etwas vertraut gemacht haben (z.B. hier), kaufen Sie eine 6-Punkt Braille-Schreibmaschine im Idealfall mit Prägebandadapter (für Dymoband). Beschriften Sie Kinderbücher und Spielzeug, sowie Stühle und Zimmer und zeigen Sie Ihrem Kind welche Bedeutung Schrift hat. Lesen Sie ihm aus Kinderbüchern mit Punktschrift vor. Das Kind lernt: „es sind Zeichen, die für einen Begriff stehen – und diesen Begriff kann man aussprechen und mit Leben füllen. Wenn man darüberstreicht kann man vorlesen“. Machen Sie lange Linien aus Braillezeichen und fügen Sie irgendwo eine Ausnahme ein, dann lassen Sie das Kind die Ausnahme finden. Das könnte eine Einpunktlinie aus c sein, wo irgendwann ein anderes Zeichen dazwischen liegt. Daraus lassen sich dutzende Muster tippen und das Kind darf Lob und Belohnung erwarten, wenn es das Steinschen findet.
„Wo ist der Stolperstein?“ oder „Wo ist das Loch?“. Das wäre in Braille ccccccccgcccccccc und sieht so aus:
⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠛⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉
und ccccccccacccccccc sieht so aus:
⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠁⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉⠉.

Punktschrift lernen, aber wie?

 “Es gibt etwas wunderbares beim Braille lesen, das sehende Menschen nie kennen werden: Man berührt Worte, die einen berühren” – Jim Fiebig

Sie stehen vor der Frage, wie man ganz konkret anfängt?

Mit Steckbrett, Maschine, Klettbrett oder Eierschachtel? Mit Buchstaben, Silben oder Worten? Und mit welchen? Mit der Erklärung des Braille-Systems? Der Idee wozu es da ist? Oder direkt mit der Anwendung von Worten?

Auf keinen Fall kann man das pädagogische Konzept für sehende Kinder übernehmen (Lückentexte oder nach Bildern) – man geht nach einem anderen Prinzip vor.

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Als erstes können Sie in der Wohnung und in der Kita alle eindeutigen Dinge beschriften. Wir haben von Anfang an alles mögliche in Punktschrift mit der Braille-Dymoprägezange oder der 6-Punkt Braille-Schreibmaschine mit Prägebandadapter beschriftet (also Küche, Kinderzimmer, Wohnzimmer, Bad, Kühlschrank, Buchtitel, Sitzplätze und Stühle mit Mama, Papa etc.) und den Namen des Kindes auf persönliche Gegenstände geklebt. Man nimmt dazu am besten ein transparentes Dymoband. Für Kinder spielt oft der eigene Name eine große Rolle. Die Wörter sollten nicht gesperrt geschrieben werden, weil bei der Ganzworterkennung die enge Schreibweise durchaus gewollt ist. So bildet das ganze Wort eine wiedererkennbare Form und es kann schneller gelesen werden als beim Ertasten von Einzelbuchstaben.

Auf ganz natürliche Weise haben wir unserem Kind beim Vorlesen die Punktschrift in den Büchern gezeigt. Häufig erinnern wir es: Linker Zeigefinger auf den jeweiligen Zeilenanfang, rechter Zeigefinger liest (von uns unterstützt) mit. Unser Kind ist trotzdem ein Linksleser geworden, was einiges umständlicher macht.

Als spielerischen Weg zum Lesen empfehlen wir die „Taststraße zur Punktschrift“ von Markus Lang, mit der auch wir angefangen haben (siehe weiter unten). Eine Punktschriftmaschine leistet doppelten Dienst: beim täglichen Spielen und beim Beschriften. Wir hatten gleich zwei Maschinen im Einsatz, eine alte gebraucht ergattert und ein Vorführmodell von einer Messe gekauft. Heute haben wir fünf! Gut ist, wenn man Dymobänder in die Maschine einlegen kann, um Objekte in der Wohnung und Kita und Bücher zu beschriften. Man kann aber auch festere selbstklebende Folie verwenden. Die Maschine braucht man also fast von Anfang an. Das Kind soll auch alles an der Maschine ausprobieren und selbst damit spielen, Spaß haben, Muster machen, fühlen. Das trainiert den Umgang mit der Maschine und die Kraft in den Fingern sowie das Tastempfinden in den Fingerspitzen. Keine Sorge, die Maschinen sind robust und langlebig. Blinde Kinder müssen im selben Maß spielerischen und ungezwungenen Schriftkontakt erhalten wie sehende Kinder.

Es hat lange gefehlt. Jetzt ist endlich ein Buch für Vorschulkinder erschienen zum Erlernen des Lesens und Schreibens. Inklusiv! Also sehende und blinde Kinder lernen gemeinsam aus einem Buch! Unverzichtbar.

Die neun Hefte dieses Werkes bilden ein inklusives Lernmittel, das Vorschulkinder mit Blindheit sowie mit und ohne Sehbeeinträchtigung im Sinne des „Emergent Literacy-Ansatzes“ gleichermassen und gezielt auf einen modernen Schriftspracherwerb vorbereitet. Integriert in kindgerechte und handlungsorientierte Geschichten findet die Auseinandersetzung mit Braille- und Schwarzschrift anhand von visuellen und haptischen Aufgabenstellungen statt.

Weitere Impulse für Interesse an Schrift können sich zum Beispiel durch den Kindergarten ergeben, wenn vorgelesen wird oder sich die Spielkameraden für das Schreiben und Lesen zu interessieren beginnen – da darf und will ein blindes Kind nicht nachstehen. Daher stellt sich dann schnell die Lernfrage. Wie beginnt man und was braucht man?

Anderes Sehen Hinweis

Ein wichtiger Hinweis für die Leser: Wir bemühen uns, Ihnen viele Tipps zu geben, wie Sie Ihr Kind gut fördern können. Bieten Sie Ihrem Kind durchaus alles an, darum geht es uns – aber drängen Sie es nicht! Jedes Kind hat seine eigene Reihenfolge und Geschwindigkeit Dinge anzunehmen und es gibt dafür keine Norm. Das gilt für Bücher, Braille, Laufen, Sprechen, Langstock und Klick-Sonar gleichermaßen. Und natürlich nimmt auch nicht jedes Kind alles an.

Lesen: Wenn der eigene Name als Ganzes erkannt werden kann (im Grunde ist dazu keine Buchstabenkenntnis nötig), können weitere Namen dazukommen (z.B. die Familienmitglieder oder Freundinnen). Die Kinder bilden dann erste Strategien über Schrift: Namen werden an der Wortlänge erkannt und zugeordnet, an markanten Zeichen am Anfang etc. Das sind wichtige Strategien vor dem eigentlichen Buchstabenlehrgang. Markus Lang spielt mit seinen Schülern oft ein Namenquartett (vereinfacht als „Duett“: bereits Pärchen können abgelegt werden). Also einfache Quartett-Spielkarten mit Namen aus dem Familien- und Freundeskreis beschriften. Jeder Name also vier mal.

Schreiben: Für das Schreiben sind Übungen zur Kräftigung und zur Fingerkoordination wichtig, aber auch die Bezeichnung als Finger 1, 2, 3 – 4, 5, 6 analog der Tasten auf der Braillemaschine. Links: Zeigefinger=1, Mittelfinger =2, Ringfinger=3 – Rechts: Zeigefinger=4, Mittelfinger =5, Ringfinger=6. Mit der Bezeichnung der Finger kann man schon sehr früh anfangen. Das Schreiben und Verstehen fällt dann leichter und kann später wirklich parallel zum Lesen erfolgen, wenn die Finger korrekt den Tasten zugeordnet werden können.

Man muss auf die andere Reihenfolge der Buchstaben-Einführung achten; sie ist ganz anders als bei sehenden Kindern. Man fängt auf der Maschine mit linksseitigen Buchstaben an, erst a, b dann l. Somit kann man ein kurzes Wort lesen: Ball. Dann geht man auf die rechte Seite über, also p, r.

Als Text zum Nachlesen oder zur Orientierung ist das Kapitel „Lesen und Schreiben“ in der „Didaktik des Unterrichts mit blinden und hochgradig sehbehinderten Schülerinnen und Schülern, Band 2“ zu empfehlen, das Herr Lang zusammen mit Frau Hofer und Frau Beyer 2011 herausgegeben hat.

Damit Freude am Lesen aufkommt und wächst

  • Beziehen Sie Wörter auf eigene Erfahrungen des Kindes (z.B. “Neulich haben wir so ein Polizeiauto gesehen”, “Vor Weihnachten warst du auch ganz aufgeregt”)
  • Am wichtigsten ist, dass das Kind positive Emotionen erlebt (Lachen Sie gemeinsam über lustige Inhalte. Haben Sie Spaß daran, Neues dazu zu erfinden.)
  • Lesen sollte als freudvolle Interaktion stattfinden.
    Antworten Sie geduldig und kreativ auf die Fragen Ihres Kindes. Stellen Sie gerne offene Fragen, auf die das Kind verschieden antworten kann (z.B. “Was würdest du hier einkaufen?”, “Was könnte der Junge jetzt machen?”)
  • Beenden Sie das gemeinsame Lesen, bevor das Kind es selbst möchte. So wird es nie als Pflicht empfunden.
  • Es sollte dann gelesen werden, wenn das Kind es selbst möchte.

(nach der “Joy method” von Dr. Söderbergh)

Eierkartons, Steckbrett oder Häuschen

Punktschriftmaschine, Steckbrett, Haftbrett mit Einzelbuchstaben, Eierkarton

Punktschriftmaschine, Steckbrett, Haftbrett mit Einzelbuchstaben, Eierkarton

Markus Lang sagt: Die Braillezellenanalyse, also die Vergrößerung von Braillezeichen (wie z.B. mit Eierkartons, Steckbrett oder Häuschen mit sechs Zimmern) hilft nur Späterblindeten, aber hilft geburtsblinden Kindern nicht. Diese scheinbaren Hilfen sind viel zu visuell gedacht! Blinde Kinder nehmen die Braillebuchstaben als Textur und nicht als einzelne Punkte wahr, sie können deshalb keinen Zusammenhang herstellen zwischen den besetzten Zimmern o.ä. und einem Braillebuchstaben. Ganz deutlich wird das durch die Aussage eines Schülers: Er meinte Jahre später, dass er eigentlich zweimal lesen gelernt hat – auf der einen Seite den Eierkarton, auf der anderen Seite die Braillezeichen auf Papier. Nur was diese beiden Systeme miteinander zu tun hatten, hat er erst als Erwachsener verstanden. Wir raten – auch aufgrund unserer eigenen Erfahrung – völlig von vergrößerten Darstellungen ab. Unser Kind kann auch nicht von gelesenen Buchstaben darauf schließen, wie sie auf der Maschine geschrieben werden! Das hat uns verblüfft, aber jetzt sind wir schlauer. Das Lesen und das Schreiben sind offenbar zwei getrennte Lernprozesse.

Punktschriftmaschine – mechanisch oder elektrisch?

Eine gute mechanische Braille-Schreibmaschine ist der Perkins Brailler. Nachteil: mechanische Schreibmaschinen brauchen gleichzeitige Kraft und Koordinationsfähigkeit der Finger. Kinder unter 6 haben damit oft Probleme! Vorteil: Sie sind einigermaßen leise und können auch während des Unterrichts in der Schule genutzt werden. Empfehlung ab 5 bis 7 Jahre.

Seit langem sind die Elotype und der Mountbatten Writer Plus auf dem Markt. Das sind elektrische Braille-Schreibmaschinen. So etwas kann auch als Drucker vom PC aus verwendet werden und man kann mit einer angeschlossenen QWERTZ-Tastatur in Schwarzschrift eingeben, was dann in Punktschrift gedruckt wird. Wichtiger weiterer Vorteil: Auch ein sehr kleines Kind mit wenig Kraft kann die Tasten einer elektrischen Maschine problemlos drücken. Texte, Geschichten, Grafik oder Unterrichtsmaterial können einfach vom PC aus gedruckt werden. Empfehlung ab 3 Jahre. Leider sind die Maschinen nicht so richtig leise und sehr schwer.

Die Elotype oder Mountbatten kosten etwa 3.000€. Die Kosten übernimmt in der Schule die Eingliederungshilfe/Behindertenhilfe oder das Schulamt. Vor der Einschulung muss die Krankenkasse meist mit viel Aufwand davon überzeugt werden, dass auch blinde Kinder zur gleichen Zeit wie sehende lernen können, müssen und wollen. Eine rein mechanische Maschine, z.B. der Perkins Brailler kostet zwischen 800 und 1.300€, die die Krankenkasse übernehmen muss. Gebraucht findet man manchmal mit Glück auch welche ab 200€.

Unser Tipp für sehr gutes Braille-Papier ist das Papyrus 88026786 Planosuperior. Das gibt es in 120g und in 160g Stärke. 120g reicht eigentlich für alles und ist preiswerter und dünner als die überteuerten Spezial-Papiere aus dem Hilfsmittelbereich.

Die Braillezeile – Die ganze Welt durchs Nadelöhr

Ab der dritten oder vierten Klasse kommt das Kind nicht mehr ohne digitale Technik aus. Texte und Informationen müssen erarbeitet und bearbeitet werden. Hausaufgaben mit Lückentexten oder Rechenaufgaben mit Gleichungen. Die benötigten Informationen kann das Kind nicht sich nicht einfach nur anhören und merken, sie müssen kopiert und zusammengestellt werden. Dazu bedarf es eines Monitors bzw. Displays.

Für blinde Menschen ist das eine sogenannte Braille-Zeile (Braille Display), die es aber lediglich auf gleichzeitig 40 Buchstaben bringt. Das ist sehr sehr wenig. Zwei bis fünf Worte passen da rein. Angezeigt wird da natürlich nur der sogenannte Fokus. Mit Tasten und Befehlen wird dieser Fokus über den Bildschirm bewegt, bis das angezeigt wird, was man sucht. Den Cursor kann man dann durch Tastendruck an die gewünschte Textstelle setzen. Dann kann man über die integrierte Brailletastatur Text eingeben.

Eine Braillezeile kann sowohl 6-Punkt als auch 8-Punkt-Braille darstellen. Das wird alles über den Screenreader im Computer oder dem Smartphone gesteuert. Der Screenreader bestimmt auch, ob Vollschrift oder Kurzschrift angezeigt wird. Die Zeile selbst kann also „dumm“ sein.

Auch wenn es etwa ein dutzend Braillezeilen mit Tastatur und 40 Zeichen Anzeige auf dem Markt sind, so sind diese in der Regel geschönte und schöngeredete Steinzeitgeräte, die mit scheinbar modernen Features ausgestattet sind. Die Technik dahinter ist eine Katastrophe. Langsam, unflexibel, veraltet, inkompatibel, nicht updatefähig. Dafür sind die Kosten aber das genaue Gegenteil 3.000 bis 7.000 € werden dafür veranschlagt.

Kaufempfehlung

Focus und iPhone und Mac

Unsere Empfehlung: Focus 40 Blue Braillezeile mit iPhone 8 und MacBook Air

Wir machen es kurz:. Die einzige Braillezeile, die erträglich ist, ist die Focus Blue 40 von Freedom Scientific. Alle anderen haben entscheidende Nachteile, die nicht akzeptabel sind. Die Focus ist die einzige, die in Echtzeit zwischen mehreren über Bluetooth verbundenen Geräten umschalten kann. Da dies eine absolute Bedingung ist, kann keine andere Zeile ernsthaft empfohlen werden. Ein Schüler hat immer wieder die Notwendigkeit, zwischen Computer und Smartphone (oder Tablet) umzuschalten. Häufig sogar mehrmals pro Minute. Die Focus ist beim Einschalten sofort einsatzbereit, was nicht selbstverständlich ist. Es muss kein Betriebssystem geladen werden. Die Focus kann mit Mac und PC betrieben werden und wird von jedem Screenreader (VoiceOver, JAWS, NVDA etc) unterstützt.

Der richtige Computer mit ScreenReader zur Braillezeile

Baum Braillezeile an einem MacBook Air

Baum VarioUltra 40 Braillezeile an einem MacBook Air

Eine Braillezeile ist der Monitor für blinde Computernutzer. Leider können nur ca. 40 Zeichen gleichzeitig dargestellt werden. Das macht die Nutzung von digitalen Inhalten und das Arbeiten mit Texten sehr umständlich und unübersichtlich. Die Technik ist veraltet und dennoch das aktuellste, was es gibt.

Vor allem, wenn früh mit der Braillezeile gearbeitet wird, entspricht die Bildschirmdarstellung der Braillezeile 1:1 (alle Buchstaben werden abgebildet, es gibt keine Kürzungen). Damit lässt sich dann auch Englisch lesen und schreiben unterrichten (genauso wie es die Mitschülerinnen auch tun). Ein weiterer Vorteil: alle digitalen Texte sind sofort per Braillezeile verfübar (ohne Konvertierung). Alle gängigen Brailledrucker können Eurobraille ausdrucken (genauso wie alle 6-Punktschriften, auch englische Kurzschrift etc.), so dass Fibeltexte etc. auch auf Papier gelesen werden können.
Im Laufe der Grunschulzeit bzw. in Klasse 5 oder 6 findet dann der Einstieg in die deutsche Vollschrift und in die Kurzschrift statt (vornehmlich zum Lesen). So ist das Vorgehen im Unterricht in der Integration in Baden-Württenberg oder Schleswig-Holstein. 8-Punkt-Braille (Eurobraille/ Computerbraille) hat besonders im Unterricht in der Inklusion Sinn, da dann tatsächlich 1:1 gemeinsam gelernt werden kann – z.B. Großschreibung, Textdokumente auch von Klassenkameraden sind sofort in Punktschrift verfügbar etc.. Eurobraille ist das 8-Punktsystem, das es ermöglicht jedem Schwarzschrift-Zeichen (auch @ oder &%$§ u.s.w.), auch den Großbuchstaben, ein eigenes Punktschriftzeichen zuzuweisen.

An der Ausstattung Computer mit Braillezeile (Das ist eine Punktschrift-Lesezeile zum Computer, auch Braille-Display genannt) und Screenreader kommt man langfristig nicht vorbei. Der Screenreader „übersetzt“ die Bildschirminhalte in sortierten, navigierbaren Text und gibt sie als Text auf die Braillezeile und/oder als Sprache aus. Es gibt mehrere Möglichkeiten für die Ausstattung:

  1. Ein PC-Laptop (700 bis 1.200€) mit
    1. dem kostenlosen Windows-Screenreader Narrator
    2. dem kostenlosen Open Source-Screenreader NVDA
    3. oder dem extrem teuren JAWS (> 2.000€ und Achtung: mit zwingend erforderlichen jährlichen hohen Updatekosten, die ab der 10. Klasse selbst bezahlt werden müssen) von Freedom Scientific.
  2. Ein Apple MacBook Air (900 bis 1.200€) oder iPad (ab 440€) mit
    1. dem bereits von Haus aus im System integrierten kostenlosen Apple-Screenreader VoiceOver. Alle Apple-Geräte (sowohl MacOS als auch iOS und WatchOS) sind ab Werk schon für blinde und sehbehinderte Nutzer vorbereitet und sind sehr einfach zu bedienen. Es können beliebige Bluetooth-Braillezeilen am MacBook, iPhone oder iPad mini verwendet werden. Mehr Informationen zu Apple bei Apfel-Fleger.

Die Lösung „PC mit JAWS“ ist also die in der Anschaffung teuerste Lösung (mehr als doppelt so hoch wie ein MacBook) und die einzige, die erhebliche Folgekosten für das Sozialsystem verursacht. Und: wenn die Kosten dann ab der 10. Klasse nicht mehr von der Krankenkasse übernommen werden, muss man die Updates selbst bezahlen. Eine echte Kostenfalle.

Der Computer ist, je nach Schule und Lerngeschwindigkeit ab der dritten oder fünften Klasse erforderlich um als blinder Schüler überhaupt am Unterricht teilnehmen zu können. Was die Wahl des richtigen Systems betrifft (weil die Wahl des richtigen Computers auch den ScreenReader betrifft) liest sich der Rat vom Profi STEPHAN MERK so:

„Für reine Standardanwendungen im privaten Umfeld und auch in vielen Arbeitsumgebungen bietet NVDA … eine zeitgemäße Ausstattung, kommt mit nativen Microsoft-Anwendungen und Office zurecht, kann bedingt auch angepasst werden und ist vor Allem kostenlos. … Anwender, die nicht mehr als Windows nutzen, im Internet surfen, Mails schreiben und Textverarbeitung machen, brauchen JAWS und Co. nicht wirklich. Zu allem wird auch der Microsoft Narrator immer besser und kann sogar NVDA in vielen Bereichen überflüssig machen. Schlussendlich kostet auch ein MacBook mit VoiceOver nicht mehr, als eine JAWS-Lizenz.“ Zitiert aus:  „JAWS oder die Marktberechtigung für teure Screenreader“

Mit zehn Fingern „blind“ schreiben lernen

Eine Mutter empfiehlt: „Unser Sohn lernt gerade das 10 Finger System (2. Klasse). Unsere beste Lehrerin der Welt verwendet dazu kostenlose Lernprogramme, den MaschTrainer sowie den Keyspeaker. Wahrscheinlich ist euch das eh bekannt. Falls nicht: klare Empfehlung unsererseits!“
Eine andere: „Wir haben und hatten den Goldfinger Junior. Hat wenig gekostet, liest aber auch automatisch die Buchstaben und das Übungsdiktat vor, weil man ja immer wieder mal „blind“ schreiben soll. Ist ok, manche „Fach“-Begriffe muss man aber Kindern erklären.“

Geht da noch mehr? Nur 40 Zeichen? Wie wäre es mit 360?

Ein E-Book-Reader wäre doch eine tolle Alternative zur Braillezeile. Eine Braillezeile mit nur 40 Zeichen ist etwa, als ob wir alle Bücher, Zeitungen und das Internet, unsere Mails und unsere Doktorarbeit auf einem Taschenrechnerdisplay lesen und bearbeiten müssten!  Der Canute360-E-Book-Reader ist wenigstens in einem Bereich eine deutliche Verbesserung: Er kann 9 Zeilen mit je 40 Zeichen darstellen. Zum Lesen von Büchern eine erhebliche Erleichterung.

Auf dem Sofa lesen mit dem Canute auf dem Schoß

Auf dem Sofa lesen mit dem Canute360 auf dem Schoß. Das geht gut. Nur noch jede neunte Zeile muss geblättert werden. Man kann einfach mal einen Satz von vorn anfangen, ohne zu blättern.

Finger lesen auf dem Canute

Canute360: Die zwei nebeneinanderliegenden vertikalen Reihen aus Punkten sind auf der Außenseite je eines Rades aufgebaut. Durch Drehung kommen sie in verschiedenen Kombinationen an die Oberfläche und ergeben einen Braille-Buchstaben.

Wie kommt der Punkt dann in das Papier?

Das Ausdrucken (egal in welcher Schriftart) ist relativ einfach. Sie brauchen einen Brailledrucker (möglichst einer, der doppelseitig ausdrucken kann).

Wer mit dem Mac arbeitet und einen Index Everest als Drucker hat, benötigt kein Konvertierungsprogramm. Der Text kann aus jeder beliebigen Textverarbeitung einfach über den normalen Drucken-Dialog ausgedruckt werden. Die Braillekonvertierung (und auch die Einstellungen, wie Eurobraille, Vollschrift, Kurzschrift, Englisch, oder andere Sprachen) werden im Drucker verarbeitet. Allerdings sollte man vorher den Text „putzen“, denn man kann Texte noch lesefreundlicher machen. Zum Beispiel Absätze und Leerzeilen ersetze ich mit „Suchen und ersetzen“ durch zwei Absätze und zwei Leerzeilen. Das macht die Punktschriftseiten übersichtlicher. So machen wir es, denn wir sind es gewohnt mit Mac zu arbeiten und freuen uns, dass wir nicht erst konvertieren müssen.

Wer mit dem PC arbeitet nutzt meist das Konvertierungsprogramm RTFC. Das ist momentan das am weitesten verbeitete Konvertierungsprogramm. Dieses Programm wurde in Deutschland entwickelt und hängt sich in Word hinein, so dass sehr bequem Texte direkt umgewandelt und ausgedruckt werden können. RTFC kann jede Variante für den Ausdruck vorbereiten: Eurobraille, Vollschrift, Kurzschrift und auch englische Kurz- und Vollschrift oder Französisch.

Fremdtexte

Taschenbuch als Braille Kopie: Der Größenvergleich

Ein Taschenbuch mit 300 Seiten umgewandelt aus einem englischsprachigen Kindle-E-Book und gedruckt als Braille Kopie ergibt 400 Seiten DIN A4 auf 120g-Papier.

Bücher, wie Kindle und Co: Texte kann man auch aus E-Books extrahieren, selbst wenn diese DRM-geschützt sind. Das ist in unserem Sonderfall (für einen blinden Menschen) legal.

Für das Einscannen von Texten auf Papier (das geht natürlich meist nur Blockweise) empfehle ich den „FineReader“ von Abbyy oder die App „TextGrabber“. Die so entstandenen Texte müssen dann noch in einer Textverarbeitung korrigiert werden, da manche Zeichen falsch erkannt werden.

Schriftsprachkompetenz ist eine zentrale Kompetenz zur Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen:

  • schriftliche Kommunikation (z.B. per E-Mail, SMS)
  • Verwaltung & Recht (z.B. Korrespondenz und Verträge
    mit Behörden, Versicherungen)
  • Mediennutzung (z.B. Bücher, Internet)
  • Aus- & Weiterbildung (Schule, Ausbildung/Studium,
    Beruf, lebenslanges Lernen)
  • Kultur (z.B. Bücher, Museen)

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