„Körpersprache-Sprachpaket“ für Eltern und Pädagog:innen

Aufrechte Haltung – wichtig für Gesundheit und Selbstbewusstsein

Blinde Kinder neigen – je nach Alter und Umfeld – dazu, beim Gehen, Stehen oder Sprechen eine unaufrechte, manchmal sogar gekrümmte Haltung einzunehmen. Das  liegt vielleicht schlicht daran, dass sie sich oft stärker auf den Tastsinn oder das Gehör konzentrieren und ihre Umwelt nicht visuell spiegeln können. Aber: Eine schlechte Haltung kann auf Dauer zu Rückenschmerzen, Muskelverkürzungen, Verdauungsproblemen oder Atembeschwerden führen – und sie beeinflusst auch, wie das Kind sozial wahrgenommen wird. Ein gebeugter Körper kann „unsicher“ oder „nicht ansprechbar“ wirken. Wer aber aufrecht und offen steht, wird gesehen – auch wenn man selbst nichts sieht.

Was kann man tun? Hier ein paar Tipps nach Altersstufe:


Kleinkindalter (ca. 1–3 Jahre)

Früh mit Bewegungsspielen anfangen: Klettern, Hüpfen, Balancieren – alles, was den Rücken stärkt und das Körpergefühl fördert.

Erklären, was Körpersprache ist: Z. B. »Wenn du so stehst, wirkst du traurig – komm, wir stellen uns mal wie ein mutiger Ritter hin.«


Kita- und Vorschulalter (ca. 3–6 Jahre)

Den Langstock als Haltungshelfer nutzen: Der Stock sollte körperlang sein. Wenn das Kind ihn aktiv und »schwungvoll« einsetzt, richtet es sich oft automatisch besser auf.

Bewegung mit Musik kombinieren: Tanzen, Yoga, einfache Haltungsspiele – und am besten mitmachen!

Spiegeln mit Worten: »Dein Rücken ist krumm – streck dich mal wie ein Löwe, der gleich losbrüllt!«


Grundschule (ca. 6–10 Jahre)

Klicksonar erlernen: Wer selbstständig Wege erkundet, läuft sicherer und aufrechter – das stärkt nicht nur den Rücken, sondern auch das Selbstbewusstsein.

Tägliche Bewegungsrituale: Dehnen, Springen, kleine Körperreisen. Auch 5 Minuten vor dem Frühstück oder in der Klasse reichen.

Auf Sprache achten: »Steh gerade, sonst merkt niemand, dass du zuhörst oder etwas sagen willst.«


Jugendliche (ca. 11–16 Jahre)

Körperhaltung bewusst machen: Im Gespräch, beim Referat, im Bus. Wer sich klein macht, wer nicht gesehen wird, wird oft übergangen.

Krafttraining, Kampfsport (zB. Judo), Tanz oder Parcours: Alles, was Haltung, Koordination und Selbstwahrnehmung stärkt, ist hilfreich – auch mental.

Audiodeskription durch Eltern oder Pädagogen: Beschreib deinem Kind, wie Gleichaltrige auftreten: »Die da drüben stehen in Gruppen, lehnen locker an der Wand, manche mit verschränkten Armen, manche mit hüftbreitem Stand – das wirkt selbstbewusst.« Solche Beschreibungen helfen, ein eigenes Bild von Körpersprache zu entwickeln.


Für alle Altersstufen gilt:

Positives Feedback geben: »Du stehst heute richtig aufrecht – das wirkt super!«

Nicht tadeln, sondern erinnern: Statt »Du bist schon wieder krumm!« lieber »Zeig mal deine Superhelden-Haltung!«

Mobilitätslehrkräfte mit einbeziehen: Sie sehen oft Haltungsprobleme und können gezielt helfen.


Eine aufrechte Haltung ist kein Extra, sondern Teil der Persönlichkeitsentwicklung. Sie kann gelernt werden – und beginnt mit Vertrauen, Aufmerksamkeit und Vorbildern. Jeden Tag ein bisschen.


„Körpersprache-Sprachpaket“ für Eltern und Pädagog:innen

Formulierungen, mit denen man blinden oder sehbehinderten Kindern ganz alltagstauglich beschreiben kann, wie andere auftreten, stehen, wirken … und wie das Ganze sozial gelesen wird.

Ziel: Ein Gefühl für Körpersprache entwickeln – ohne Zeigefinger, dafür mit viel Kopfkino.


👫 In der Schule (z. B. auf dem Pausenhof oder im Klassenraum)

• „Die Jungs da drüben stehen in einem kleinen Kreis, Schulter an Schulter, sie beugen sich ein bisschen vor beim Reden – das wirkt, als ob sie ganz vertieft sind.“

• „Anna lehnt lässig mit dem Rücken an der Wand, ein Bein angewinkelt, die Arme locker verschränkt – die sieht richtig cool und entspannt aus.“

• „Ben sitzt vornübergebeugt auf dem Stuhl, stützt den Kopf auf die Hand – das wirkt müde oder gelangweilt.“

• „Mira redet gerade und schaut in die Runde, sie steht ganz aufrecht und gestikuliert mit den Händen – man hört richtig, dass sie gern spricht und sicher ist.“

• „Zwei Mädels sitzen Rücken an Rücken, ohne was zu sagen – das ist eher ein Zeichen, dass sie gerade nicht miteinander reden wollen.“


🏠 Zu Hause & Alltagssituationen

• „Wenn du mit Mama sprichst und dich von ihr wegdrehst, merkt sie nicht, dass du ihr zuhörst – probier mal, deinen Oberkörper ein bisschen in ihre Richtung zu drehen.“

• „Du sitzt beim Essen ganz vornübergebeugt – das wirkt, als ob du gleich ins Essen fällst. Setz dich mal ganz groß hin, wie ein Ritter vorm Festmahl!“

• „Wenn du mit dem Rücken zur Tür stehst, merkt niemand, dass du auf jemanden wartest. Dreh dich mal hin, das signalisiert Offenheit.“


🎭 In Gruppen oder bei Auftritten

• „Deine Stimme war gut, aber du standest wie ein Fragezeichen da – versuch mal, beim Reden die Füße fest auf dem Boden zu haben und die Schultern zurückzunehmen.“

• „Als der Lehrer dich etwas gefragt hat, hast du den Kopf weggedreht – da denkt man schnell, du willst nichts sagen. Probier mal, den Kopf zu heben und dich ihm zuzuwenden.“


🧠 Allgemeine Bilder & Merksätze

• „Stell dir vor, oben auf deinem Kopf steht ein Glas Wasser. Wenn du dich krumm machst, fällt es runter – wenn du dich aufrichtest, bleibt es stehen!“

• „Du kannst mit dem Körper sagen: Ich bin da. Oder: Lasst mich in Ruhe. Und das passiert, bevor du ein Wort gesagt hast.“


 

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