Literatur-Barrierefreiheit kostet nichts – sie ist bereits professioneller Standard

Der ArtikelBarrierefreiheit im digitalen Literaturraum – Barrierefreie Bücher werden nur Realität, wenn sich das Ganze auch rechnetim Börsenblatt vom 14. Juli 2017, ist lesenswert. Er beschreibt aus Insidersicht die Möglichkeiten und Schwierigkeiten beim Erstellen barrierefreier Literatur im elektronischen Format. Dass dieser Weg unumgänglich ist, wird deutlich gesagt. Treffend wird beschrieben, dass die technischen Voraussetzungen vorhanden und mit großem Nutzen anwendbar sind. Dennoch impliziert die Subheadline etwas völlig Falsches. Der Gewinn finanzieller Art ist völlig unerheblich wenn es um Menschenrechte geht und wenn man den Gewinn für die Gesellschaft und noch mehr für jede einzelne betroffene Person bedenkt. Wenn für die Produktion barrierefreier Literatur überhaupt Mehrkosten für die Verlage entstehen, was ich bezweifle, dann ist das nunmal der natürliche Lauf der Dinge, dem allerdings alle Verlage werden folgen müssen.

Ähnliche Sorgen und demnach fast pauschale Ablehnung hat man noch vor drei Jahren in der Filmindustrie Deutschlands gehört. Es wurde praktisch kein Film mit Audiodeskription versehen. Doch die deutsche Filmförderung hat erreicht, dass es auch anders geht. Heute werden in Deutschland fast alle Filme mit Audiodeskription produziert, obwohl es Mehrkosten produziert. Die deutsche Filmförderung hat Audiodeskription ganz einfach gegen den Widerstand der Produzenten zur Bedingung gemacht. So einfach ist es. Plötzlich geht es! Gesetze und Regelungen schaffen also Veränderung! Auf Freiwilligkeit zu setzen bedeutet Stillstand.

Wenn also Sach- und Schulbuchverlage von den Designbüros, die ihre Bücher layouten nichts weiter einfordern als qualifiziertes und professionelles Arbeiten, erhöht das nicht nur die Effizienz innerhalb der Layoutvorgänge (strukturorientiertes Layouten versus impulsives Gestalten) – es spart am Ende viel Zeit bei der Zusammenarbeit von Verlagen, Autoren und Gestaltungsbüros. Verkettete mit strukturierenden Stilvorlagen ausgestattete Texte sind auch in zusammenhängender logischer Form für verschiedenste Anwendungen exportierbar. Der Layouter muss sich lediglich an professionelle Regeln halten, die von der Layout-Software ohnehin vorgesehen werden. Meistens entstehen unverkettete Layouts ohne hierarchische Stilvorlagen durch nicht qualifizierte Layouter, wenn Texte oder Headlines, Bilder, Bildunterschriften und Informationskästen ohne Verkettung platziert werden. Für diese Gestalter bedeutet Barrierefreiheit Umdenken und Dazulernen, schadet aber sicherlich ihrer Professionalität und Arbeitsgeschwindigkeit mittelfristig nicht. Wer als Gestalter von vornherein seine Bequemlichkeit über die Bedürfnisse der Nutzer stellt, hat den Sinn von Design und Literatur gleichermaßen verhöhnt. Design ist nicht Selbstzweck sondern dient der maximalen Nutzerfreundlichkeit des Produktes.

Am Ende würden alle gewinnen. Denn barrierefreie PDFs sind für alle, einer klaren Logik folgend interaktiv nutzbar und daher auch mit Screenreadern lesbar. Schulen und Medienzentren würden zu solchen Schulbüchern und Sachbüchern viel lieber greifen, denn dann würde dort das extrem aufwändige und kostenintensive händische Rück- und Umarbeiten für andere Medien entfallen.

Dieser Kommentar bezieht sich auf eine Veröffentlichung im Börsenblatt:
https://www.boersenblatt.net/artikel-barrierefreiheit_im_digitalen_literaturraum.1349072.html

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