Urteil: Taxifahrten zur Schule werden von der Eingliederungshilfe erstattet

Recht auf Schulfahrten per Taxi

Verhandlung B 8 SO 3/23 R

Im Mai 2024 hat das Bundessozialgericht eine wegweisende Entscheidung getroffen: Fahrtkosten für Schüler*innen, die aufgrund einer Behinderung nicht selbstständig zur Schule gelangen können, müssen von der Eingliederungshilfe übernommen werden. Dieses Urteil bestätigt die Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, die am 8. Mai 2024 bestätigt und nicht zur Revision zugelassen wurde.

Bisher wurden Eltern von Kindern, die aufgrund ihrer Behinderung eine inklusive Schule besuchen, darauf verwiesen, dass sie gemäß Schulgesetz selbst für den Transport ihrer Kinder verantwortlich sind. Nur in Ausnahmefällen – meist mit Nachweis einer beruflichen Unfähigkeit durch Arbeitgeberbescheinigungen – wurde ein Schülerspezialverkehr genehmigt. Eltern mit flexiblen Arbeitszeiten oder Selbstständige hatten jedoch oft keine Chance auf eine Unterstützung. In der Folge mussten viele Eltern ihre Arbeitszeiten anpassen oder sogar ganz aufgeben, um den Schultransport sicherzustellen. Im Gegensatz dazu hatten Schüler*innen an Förderschulen in der Regel den Fahrdienst von Anfang an in die Schulorganisation integriert.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts:

Das Bundessozialgericht lehnte die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts NRW vom 15. Dezember 2022 ab. In diesem Fall ging es um ein Mädchen, das aufgrund einer Bewegungseinschränkung nicht in der Lage war, den 1,1 Kilometer langen Schulweg allein zu bewältigen. Die Eltern organisierten Taxi-Fahrten, die sie mit 2240 Euro selbst finanzierten. Die Gemeinde als Schulträgerin erstattete lediglich eine Kilometerpauschale von 13 Cent, was etwa 60 Euro entsprach. Der Restbetrag wurde als Eingliederungshilfe beantragt, aber abgelehnt. Der Schulträger argumentierte, dass Eltern selbst für den Transport ihrer Kinder verantwortlich seien, insbesondere, wenn – wie in diesem Fall – zwei Fahrzeuge im Haushalt vorhanden seien.

Zitat: „Die 2006 geborene Klägerin besuchte ein Gymnasium. Wegen einer Beeinträchtigung der Gelenkbewegung war es ihr nicht möglich, die 1,1 Kilometer vom Elternhaus entfernte Schule mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu erreichen. Ihre Eltern organisierten im Schuljahr 2017/2018 die Hin- und Rückfahrten der Klägerin (wie während der Grundschulzeit) mit einem Taxi und wendeten hierfür 2240 Euro auf. Die Gemeinde als Schulträgerin erstattete für den Besuch der weiterführenden Schule lediglich eine Kilometerpauschale von 13 Cent, insgesamt rund 60 Euro. Die Übernahme der verbleibenden Differenz, die die Klägerin als Eingliederungshilfe geltend machte, lehnte der Beklagte vor Schuljahresbeginn ab, weil es allen Eltern selbst obliege, ihren schulpflichtigen Kindern die Teilnahme am Unterricht zu ermöglichen. Unterstützung hierfür sei jedenfalls beim Vorhandensein von zwei Kraftfahrzeugen in der Familie (wie hier) nicht auf Kosten der Sozialhilfe zu leisten. Die Klage hat beim Sozialgericht und beim Landessozialgericht Erfolg gehabt. Bei den Aufwendungen handele es sich um eine Eingliederungshilfe zur Teilhabe an Bildung. Kinder im Alter der Klägerin legten typischerweise den Schulweg allein zurück, weswegen auch die Klägerin nicht darauf verwiesen werden könne, sich von den Eltern zur Schule fahren zu lassen.“ (Verhandlung B 8 SO 3/23 R)

Das Gericht entschied, dass die Fahrtkosten als Eingliederungshilfe zur Teilhabe an Bildung zu verstehen seien und dass die Klägerin nicht auf die Unterstützung der Eltern angewiesen werden könne.

Wichtige Tipps für Eltern:

  • Beantragen Sie die Übernahme der Fahrkosten oder die Einrichtung eines Schülerspezialverkehrs rechtzeitig, mehrere Monate vor Schulbeginn, bei der zuständigen Stelle des Schulträgers. Informationen dazu erhalten Sie von der Schule Ihres Kindes.
  • Planen Sie den Schulweg gründlich und prüfen Sie, wie er praktisch umgesetzt werden kann. Holen Sie gegebenenfalls Angebote von Taxi- oder Busunternehmen ein.
  • Sollte Ihr Antrag abgelehnt oder nicht bedarfsgerecht bewilligt werden, stellen Sie einen ergänzenden Antrag gemäß § 112 SGB IX beim Sozialamt, oder, falls es sich um eine seelische Behinderung handelt, beim Jugendamt.
  • Fordern Sie eine Entscheidung innerhalb der gesetzlichen Fristen des § 14 SGB IX.
  • Die Regelungen des Sozialgesetzbuchs IX und VIII gelten bundesweit, jedoch können die Schülerfahrkostenverordnungen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ausfallen.

 

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