Es wird zwar so nicht offiziell ausgesprochen, aber alle Zeichen deuten darauf hin, dass das die Intention der Senatorin für Bildung, Jugend und Familie Katharina Günther-Wünsch (CDU) ist oder einfach Einkauf genommen wird. Denn das im Juli eingetretene de-facto-Ende der inklusiven Beschulung für blinde Kinder wurde bisher nicht zurückgenommen.
Seit mehrere Organisationen in Berlin im Juli 2023 auf die menschenrechtsverletzenden Handlungen (oder Unterlassungen) des Senats und verschiedener Verantwortlichen hingewiesen haben, ist nichts passiert. Kein Gespräch, kein Entgegenkommen, keine Mail, überhaupt keine Reaktion.
Zunächst im Juli war von unserer Seite ein freundliches „wie sollen wir das einordnen und wie soll es weitergehen?“ Nichts. Und dann, weil nichts passierte, ein dringliches Schreiben mit Hinweis auf die kaum noch mögliche Beschulung – und die Bedeutung für das Leben unserer Kinder. Nichts. Dann mit Forderungen und hoher Dringlichkeit. Endlich wurde uns ein Termin am 5. März angeboten.
Wir sind uns nicht sicher, ob die verantwortlichen Stellen die Brisanz verstanden haben, welche Auswirkungen ihr Nicht-Handeln in den letzten 7 Monaten auf die gesamte Entwicklung der Kinder hat. In dieser nie dagewesenen Situation ist eine Lösung dringend nötig, um eine Abwärtsspirale aufzuhalten, in der die Kinder exkludiert werden. Wir haben gewartet. Es ist nichts passiert. Wir Eltern benötigen dringend eine kurzfristige Lösung und insbesondere Gesprächsbereitschaft, die in irgendeiner Form unseren blinden und sehbehinderten Kindern eine inklusive Beschulung ermöglicht. Wir möchten uns mit den Verantwortlichen abstimmen, was die Situation zum Besseren verändern kann und nicht mehr länger systemisch und systematisch unterversorgt werden. Wir benötigen einen runden Tisch, um fachliche Alternativen zur akuten Unterstützung der am meisten betroffenen Kinder zu vereinbaren. Wir benötigen Verantwortliche, die den beruflichen Auftrag ernst nehmen. Wir können weder länger warten noch zuschauen, wie unsere Kinder unter unsäglichen Bedingungen und nur mit übermenschlichem Engagement ihrer Eltern, die derzeitige Schulsituation von Tag zu Tag überstehen.
Der offene Brief vom 21. Dezember 2023
Keine Förderung blinder Lernender an Berliner allgemeinen Schulen – offener Brief
Sehr geehrte Frau Senatorin Günther-Wünsch,
seit dem Schuljahr 2023/2024 erhalten in Berlin blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler im inklusiven Unterricht nahezu keine mobile blinden- und sehbehindertenpädagogische Unterstützung mehr. Die wenigen Stunden, die die Johann-August-Zeune-Schule für Blinde für eine mobile fachspezifische Unterstützung bisher informell zur Verfügung hatte, wurden – zu diesem Schuljahr gestrichen.
Daher wenden wir uns heute als Bündnis der folgenden Organisationen an Sie:
- Anderes Sehen
- Berliner Bündnis für schulische Inklusion
- Bundesvereinigung der Eltern blinder und sehbehinderter Kinder (BEBSK)
- Eltern beraten Eltern von Kindern mit und ohne Behinderung
- Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)
Für die betroffenen Kinder und ihre Familien ist eine unzumutbare und menschenrechtswidrige Situation geschaffen worden. Für viele Kinder geht es jetzt um entscheidende Weichenstellungen in ihrer Schullaufbahn.
Die allgemeinen Schulen, an denen die derzeit etwa 300 Lernenden mit Seheinschränkung unterrichtet werden, brauchen unabdingbar und sofort eine fachspezifische blinden- und sehbehindertenpädagogische mobile Unterstützung, um den Betreffenden angemessene Bildung anbieten zu können.
Wir sind uns nicht sicher, ob die verantwortlichen Stellen die Brisanz verstanden haben, welche Auswirkungen ihr Handeln und Nicht-Handeln auf die gesamte Entwicklung der Kinder hat. Sie werden exkludiert; Lehrkräfte äußern ihre Überforderung gegenüber Kindern und Eltern und Eltern versuchen mit „übermenschlicher“ Anstrengung, ihren Kindern in der Schule zu helfen.
Wir haben von konkreten Plänen erfahren, für ab dem Schuljahr 2024/2025 eine Regelung zu schaffen, die der Zeune-Schule Lehrerstunden zuteilt, mit denen die mobile Unterstützung geleistet wird.
Wir haben nun folgende konkrete Anliegen an Sie, sehr geehrte Frau Senatorin Günther-Wünsch:
- Bitte bestätigen Sie uns, dass tatsächlich dauerhaft ein Stundenkontingent an der Zeune-Schule zur mobilen Unterstützung inklusiv unterrichteter blinder und sehbehinderter Kinder geschaffen wird und dass dies wöchentlich mindestens 3 Stunden für jedes blinde und 1 Stunde für jedes sehbehinderte Kind beträgt.
- Bitte sorgen Sie dafür, dass im laufenden Schuljahr unverzüglich die fachspezifische Unterstützung der betreffenden Kinder bereitgestellt wird.
- Bitte initiieren Sie einen „runden Tisch“ an dem alle Verantwortlichen gemeinsam mit Ihnen und uns jetzt Lösungen schaffen.
Eltern und Selbsthilfeorganisationen haben allergrößte Sorge, dass die Kinder jetzt abgehängt werden und Ihnen schon in wenigen Monaten weiterführende Bildungs- und Lebenswege verschlossen werden, während verantwortliche Stellen die Zeit verstreichen lassen.
Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für das Weihnachtsfest
i.A. Reiner Delgado (Sozialreferent)
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)
Rungestraße 19 – 10179 Berlin
www.dbsv.orgPflichtangaben: www.dbsv.org/impressum.html
Erst am 8. Februar 2024 kam dann eine Reaktion mit Terminvorschägen im März (dann ist ja das Schuljahr fast schon rum) für ein Treffen mit einer Referentin des Senats. Die Senatorin wird selbst nicht anwesend sein.